Bewirken Werbebeschränkungen bzw. -verbote für alkoholische Getränke, dass weniger Alkohol getrunken wird?

Review-Frage

In diesem Review stellen wir die Frage, ob Beschränkungen oder Verbote für Alkoholwerbung jeglicher Form einen Rückgang des Alkoholkonsums bewirken. Als Werbeverbote kommen Verbote für Fernsehen, Internet, Plakatwände oder Zeitschriften infrage. Ferner interessierten wir uns für die eventuellen negativen Folgen von Werbeverboten wie beispielsweise Gewinneinbußen in der Alkohol- und Werbeindustrie, und für die Frage, ob Staaten weniger Steuern einnehmen würden, sollte infolge eines Werbeverbots weniger Alkohol verkauft werden.

Hintergrund

Alkoholmissbrauch ist weltweit ein erheblicher Risikofaktor für Gesundheitsschäden, Verletzungen (z.B. aufgrund von gewalttätigem Verhalten oder Autounfällen), Tod und soziale Probleme. Werbung für den Genuss von Alkohol ist weit verbreitet. Werbebeschränkungen oder -verbote wurden als eine Möglichkeit vorgeschlagen, um den Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit zu verringern und zu verhindern, dass Jugendliche schon früh mit dem Trinken beginnen.

Studienmerkmale

Die von uns vorgestellte Evidenz ist auf dem Stand von Mai 2014. Wir fanden vier Studien, in denen Beschränkungen oder Verbote für Alkoholwerbung jeglichen Formats untersucht wurden. Bei einer handelt es sich um eine kleine randomisierte kontrollierte Studie (randomised controlled trial, RCT), in der das Trinkverhalten von 80 jungen Männern in den Niederlanden bewertet wurde, denen Filme gezeigt wurden, in denen entweder viel oder wenig Alkohol vorkam, kombiniert mit Werbung mit entweder neutralem Inhalt (die als Werbeverbot für Alkohol interpretiert wurde) oder mit hohem alkoholbezogenen Inhalt. Die drei anderen Studien waren unterbrochene Zeitreihen-Studien (interrupted time series, ITS). Bei ITS-Studien handelt es sich um Studien, in denen Veränderungen - meistens in der breiten Öffentlichkeit - zu mehreren Zeitpunkten vor, während und nach einer Maßnahme, z.B. einer geänderten Politik, gemessen werden. Zwei der drei ITS-Studien werteten aus, was nach einem Werbeverbot geschah, das von den Regierungen zweier verschiedener Provinzen in Kanada verhängt wurde. Die dritte ITS-Studie untersuchte, was geschah, nachdem ein Verbot in einer anderen kanadischen Provinz nach 50 Jahren aufgehoben wurde. Jede Studie bewertete eine andere Art von Verbot (teilweises oder vollständiges Verbot).

Keine der genannten Studien wurde von der Alkohol- oder Werbeindustrie finanziert.

Hauptergebnisse

Die Daten aus den untersuchten Studien ergaben keine deutliche Wirkung, die für oder gegen Werbebeschränkungen oder -verbote für Alkohol sprechen würden.

In der RCT tranken die jungen Männer, die Filme angeschaut hatten, in denen nur wenig Alkohol vorkam, weniger als die Männer, denen Filme mit hohem alkoholbezogenen Inhalt vorgeführt wurden. Die jungen Männer, denen neutrale Werbung gezeigt wurde, tranken im Vergleich zu denen, die Alkoholwerbung gesehen hatten, weniger. Der Versuch dauerte anderthalb Stunden. Daher wissen wir nicht, wie lange die Wirkung nach dem Versuch anhielt. Negative Folgen werden in der Studie nicht erwähnt.

Die Ergebnisse aus den drei ITS-Studien sind widersprüchlich. Die Ergebnisse der beiden Studien, in denen das Geschehen nach der Einführung eines Verbots untersucht wurde, haben wir statistisch zusammengefasst. Dies ergab insgesamt einen Anstieg des Bierkonsums in der allgemeinen Bevölkerung nach der Einführung des Verbots. Diese Ergebnisse sind jedoch unsicher und wären auch mit einer gleichbleibenden Situation oder einem allgemeinen Rückgang des Alkoholkonsums vereinbar. Ebenfalls unsicher sind die Ergebnisse der dritten ITS-Studie über die Aufhebung eines vollständigen Verbots jeder Form von Alkoholwerbung, das durch ein auf Spirituosen beschränktes Verbot ersetzt wurde. Keine der Studien berichtet über negative Folgen der Verbote.

Qualität der Evidenz

Insgesamt beurteilen wir die Qualität der Evidenz in der RCT als sehr gering. Dies beruht auf der Tatsache, dass die Studie methodische Probleme aufwies, nur Männer untersucht wurden und die Ergebnisse nicht fehlerfrei waren. In den ITS-Studien wurde die Qualität ebenfalls als sehr gering beurteilt. Die Studien wiesen methodische Probleme auf und die Ergebnisse waren nicht eindeutig.

Schlussfolgerungen

Der Review spricht weder für noch gegen ein Verbot von Alkoholwerbung. Regierungen, die die Einführung von Verboten für Alkoholwerbung erwägen, wäre zu empfehlen, das Verbot in einem Forschungsumfeld einzuführen und die Wirkung im Laufe der Zeit zu beobachten, um eine Evidenzgrundlage zu schaffen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Koordination durch Cochrane Schweiz

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