Anreicherung von Reis mit Vitaminen und Mineralstoffen zur Vorbeugung eines Mikronährstoffmangels

Was war das Ziel dieses Reviews?

Das Ziel dieses Cochrane Reviews war die Überprüfung, ob die Anreicherung von Reis mit einem oder mehreren Vitamin(en) und Mineralstoff(en) in der Allgemeinbevölkerung, bei Personen, die älter als zwei Jahre sind, den Ernährungsstatus verbessert.

Hauptaussagen

Die Anreicherung von Reis mit Eisen allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen könnte das Risiko für das Erleiden einer Anämie nur geringfügig oder gar nicht verändern. Jedoch verringert es wahrscheinlich das Risiko für das Auftreten eines Eisenmangels und erhöht die mittlere Hämoglobinkonzentration in der Bevölkerung, bei Personen, die älter als zwei Jahre sind. Im Falle einer Anreicherung mit Vitamin A, könnte das Risiko für das Auftreten eines Vitamin A-Mangels verringert werden. Durch das Zusetzen von Folsäure, könnte angereicherter Reis die Serumfolatkonzentration leicht erhöhen.

Was wurde in diesem Review untersucht?

Mikronährstoffmangel beeinträchtigt die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bevölkerung in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommensniveau. Unter Anreicherung versteht man den Zusatz von Nährstoffen zu Lebensmitteln, um deren Nährwertqualität zu verbessern. Reis ist ein weitverbreitetes Grundnahrungsmittel und eignet sich als Trägerlebensmittel für die Anreicherung. Dieser Review betrachtet den Nutzen und Schaden der Anreicherung von Reis mit Vitaminen und Mineralien bezogen auf den Mikronährstoffstatus und auf gesundheitsbezogene Endpunkte bei Teilnehmenden, die älter als zwei Jahre sind. Zudem werden Endpunkte betrachtet, die eine Relevanz bezüglich des Mangels an Eisen, Vitamin A, Zink und Folsäure aufweisen.

Was sind die Hauptergebnisse des Reviews?

Wir identifizierten 17 Studien (mit 10483 Teilnehmenden) aus Bangladesch, Brasilien, Burundi, Kambodscha, Indien, Indonesien, Mexiko, den Philippinen, Thailand und den USA. Zwölf Studien waren hierbei randomisiert (2238 Teilnehmende); zehn Studien schlossen Kinder und zwei Studien nicht-schwangere sowie nicht-stillende Frauen ein. Einige Studien nutzten neben Eisen auch Vitamin A, Zink oder Folsäure als Form der Anreicherung. Diese erfolgte einzeln oder in Kombination. Fünf nicht-randomisierte Studien (8245 Teilnehmende) wurden ausgewertet, um weitere Informationen über die Durchführung und die Auswirkungen der Anreicherung zu erhalten. Die eingeschlossenen Studien wurden von staatlichen, privaten und nichtstaatlichen Organisationen sowie von anderen akademischen Einrichtungen finanziert. Die jeweilige Finanzierungsquelle scheint die Ergebnisse nicht beeinflusst zu haben.

Wir sind unsicher, ob die Anreicherung von Reis mit Eisen und anderen Mikronährstoffen das Risiko einer Anämie verringert, obwohl diese Intervention die mittlere Hämoglobinkonzentration (ein Biomarker zur Diagnose einer Anämie) erhöhen könnte. Wir sind unsicher, ob eine Anreicherung von Reis mit Eisen allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen, im Vergleich zu keiner Anreicherung, das Risiko eines Eisenmangels verringert.

Darüber hinaus könnte der Verzehr von mit Vitamin A angereichertem Reis wenig Einfluss auf die Hämoglobin- und Serumretinol-Konzentration (ein Biomarker hinsichtlich der Speicherung von Vitamin A im Körper) nehmen. Wir wissen nicht, ob die Anreicherung von Reis mittel- oder langfristig eine unerwünschte Wirkung erzeugt, da die Evidenz hierzu nur sehr begrenzt war. Die generelle Vertrauenswürdigkeit der Evidenz reichte von sehr niedrig bis niedrig. Außerdem wurde in allen Studien Eisen zur Anreicherung von Reis verwendet, sodass die isolierte Betrachtung zur Wirkung einzelner Nährstoffe verborgen bleibt. Es wurde kein signifikanter Publikationsbias über die Studien hinweg gefunden.

Wie aktuell ist dieser Review?

Die Autoren des Reviews suchten nach Studien, die bis zum 10. Dezember 2018 publiziert wurden.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Anreicherung von Reis mit Eisen allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen könnte das Risiko einer Anämie oder eines Eisenmangels geringfügig oder gar nicht verändern. Und wir sind unsicher, hinsichtlich einer Erhöhung der mittleren Hämoglobinkonzentration in der Bevölkerung, bei Personen, die älter als zwei Jahre sind. Die Anreicherung von Reis mit Eisen und anderen Mikronährstoffen, wie Vitamin A oder Folsäure, könnte die Folatkonzentration im Serum oder das Risiko eines Vitamin A-Mangels wenig oder gar nicht beeinflussen. Es gibt nur wenig Evidenz zu unerwünschten Wirkungen von angereichertem Reis.

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Hintergrund: 

Die Anreicherung von Reis mit Vitaminen und Mineralstoffen besitzt das Potenzial, die Ernährung in Ländern, in denen Reis ein wichtiges Grundnahrungsmittel darstellt zu verbessern, indem einem möglichen Mikronährstoffmangel entgegengewirkt wird. Weltweit werden jährlich 490 Millionen Tonnen Reis verzehrt. Reis bildet die Ernährungsgrundlage von rund drei Milliarden Menschen.

Zielsetzungen: 

Bestimmung des Nutzens und Schadens einer Anreicherung von Reis mit Vitaminen und Mineralien (Eisen, Vitamin A, Zink oder Folsäure) auf den Mikronährstoffstatus und gesundheitsbezogene Endpunkte in der Allgemeinbevölkerung.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten CENTRAL, MEDLINE, Embase, CINAHL und 16 weitere Datenbanken, um Publikationen zu identifizieren, die bis zum 10. Dezember 2018 veröffentlicht worden waren. Wir durchsuchten zudem ClinicalTrials.gov und die International Clinical Trials Registry Platform (ICTRP) der Weltgesundheitsorganisation am 10. Dezember 2018.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte und quasi-randomisierte Studien (entweder mit Randomisierung auf Individual- oder Clusterebene) sowie kontrollierte Vorher-Nachher Studien in den Review mit ein. Die Teilnehmenden waren Personen, welche älter als zwei Jahre alt waren (einschließlich schwangerer Frauen), ohne Einschränkung auf bestimmte Länder. Bei der Intervention handelte es sich um Reis, der mit mindestens einem Mikronährstoff oder einer Kombination mehrerer Mikronährstoffe (Eisen, Folsäure, Zink, Vitamin A oder andere Vitamine und Mineralien) angereichert war. Verglichen wurde die Intervention mit nicht angereichertem Reis oder keiner Intervention.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir verwendeten die von Cochrane geforderten methodischen Standardverfahren. Zwei Autoren des Reviews beurteilten unabhängig voneinander die Studien hinsichtlich der Einschlussfähigkeit und extrahierten Daten.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 17 Studien (10483 Teilnehmende) ein und konnten zwei laufende Studien identifizieren. Zwölf der eingeschlossenen Studien waren randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) mit 2238 Teilnehmenden - nach Adjustierung für die Clusterbildung innerhalb von zwei Cluster-RCTs. Weitere fünf eingeschlossene Studien waren nicht-randomisierte Studien (NRS), einschließlich vier kontrollierter Vorher-Nachher Studien und einer Querschnittsstudie mit einer Kontrolle (8245 Teilnehmende). Vier Studien wurden in Indien, drei in Thailand, zwei auf den Philippinen, zwei in Brasilien, und je eine in Bangladesch, Burundi, Kambodscha, Indonesien, Mexiko und den USA durchgeführt. Zwei Studien schlossen Frauen ein, die weder schwanger waren noch stillten. Zehn Studien schlossen Kinder im Vorschul- oder Schulalter als Studienpopulation ein.

Die Anreicherung mit Eisen wurde in allen 17 Studien berichtetet. Bei sechs von diesen Studien wurde Reis ausschließlich mit Eisen angereichert. In 11 Studien wurden andere Mikronährstoffe beziehungsweise diese in Kombinationen mit Eisen zugesetzt (Eisen, Zink und Vitamin A, sowie Folsäure). In einer Studie wurde je einem Interventionsarm die Anreicherung in Form von ausschließlich Vitamin A und ausschließlich Carotinoid bereitgestellt. Die relative Menge an gebundenem Eisen im ungekochten Reis lag zwischen 0,2 und 112,8 mg/100 g. Der Reis wurde in Zeiträumen von zwei Wochen bis 48 Monaten den Teilnehmenden gegeben.

In dreizehn Studien wurde weder die Sequenzgenerierung (Sequence Generation) noch die verdeckte Zuteilung (Allocation Concealment) klar beschrieben. Elf Studien wiesen eine niedrige Abbruchrate von Teilnehmenden während der Studiendurchführung auf (Attrition Bias). Es gab keine Hinweise auf eine selektive Berichtserstattung (Reporting Bias) innerhalb der Studien. Wir bewerteten das Gesamtrisiko für Bias bei zwei RCTs mit niedrig und bei zehn mit hoch. Bei einem RCT war das Risiko für Bias in den meisten Bewertungsbereichen hoch oder unklar. Alle kontrollierten Vorher-Nachher Studien wiesen in den meisten Bewertungsbereichen ein hohes oder unklares Risiko für Bias auf. Die eingeschlossenen Studien wurden von staatlichen, privaten und nichtstaatlichen Organisationen sowie von anderen akademischen Einrichtungen finanziert. Die jeweilige Finanzierungsquelle scheint die Ergebnisse nicht beeinflusst zu haben. Wir schlossen die NRS in die qualitative Synthese ein. Jedoch schlossen wir diese Studien von der quantitativen Analyse und den Schlussfolgerungen des Reviews aus, da sie hauptsächlich Kontextinformationen und nur begrenzt quantitative Informationen lieferten.

Mit Eisen allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen angereicherter Reis im Vergleich zu nicht angereichertem Reis (ohne Zusatz von Mikronährstoffen)

Die Anreicherung von Reis mit Eisen (allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen) beeinflusst das Risiko für das Auftreten einer Anämie möglicherweise nur wenig oder gar nicht (Relatives Risiko (RR) 0,72, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,54 bis 0,97; I2 = 74%; 7 Studien, 1634 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz) und kann das Risiko eines Eisenmangels möglicherweise reduzieren (RR 0,66, 95% KI 0,51 bis 0,84; 8 Studien, 1733 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Die Anreicherung von Reis könnte die mittlere Hämoglobinkonzentration erhöhen (Mittelwertdifferenz (MD) 1,83, 95% KI 0,66 bis 3,00; I 2 = 54%; 11 Studien, 2163 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Des Weiteren könnte sie wenig oder keinen Unterschied in Bezug auf einen Vitamin A-Mangel (mit Vitamin A als einem der zugesetzten Mikronährstoffe im Interventionsarm) bewirken (RR 0,68, 95% KI 0,36 bis 1,29; I 2 = 37%; 4 Studien, 927 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). In einer Studie wurde berichtet, dass die Anreicherung von Reis (mit Folsäure als einem der zugesetzten Mikronährstoffe) die Folatkonzentration im Serum oder Plasma (nmol/L) verbessern könnte (MD 4,30, 95% KI 2,00 bis 6,60; 215 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Eine Studie berichtete, dass die Anreicherung von Reis mit Eisen allein oder mit anderen Mikronährstoffen das Risiko einer Hakenwurminfektion leicht erhöhen könnte (RR 1,78, 95% KI 1,18 bis 2,70; 785 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Wir sind unsicher über die Wirkung von angereichertem Reis auf das Risiko für Diarrhöe (RR 3,52, 95% KI 0,18 bis 67,39; 1 Studie, 258 Teilnehmende; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Mit Vitamin A angereicherter Reis allein oder in Kombination mit anderen Mikronährstoffen im Vergleich zu nicht angereichertem Reis (ohne Zusatz von Mikronährstoffen)

Eine Studie wies einen Interventionsarm mit ausschließlich Vitamin A angereichertem Reis auf und verglich diesen mit einem Studienarm mit nicht angereichertem Reis. Die Anreicherung von Reis mit Vitamin A (in Kombination mit anderen Mikronährstoffen) könnte die mittlere Hämoglobinkonzentration erhöhen (MD 10,00, 95% KI 8,79 bis 11,21; 1 Studie, 74 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz). Mit Vitamin A angereicherter Reis könnte die Serumretinol-Konzentration leicht verbessern (MD 0,17, 95% KI 0,13 bis 0,21; 1 Studie, 74 Teilnehmende; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Keine der Studien trug Daten zum Vergleich der Anreicherung von Reis mit keiner Intervention bei. Die Studien, die Reis mit Folsäure und Zink anreicherten, reicherten den Reis in den Interventionsarmen auch mit Eisen an, weshalb wir sie im Rahmen des ersten Vergleichs berichteten.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Heise, A. Borchard, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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