Maßnahmen bei der Geburt zur Vermeidung von Hypothermie bei Frühgeborenen und/oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Qualität der Evidenz war moderat für die Anwendung von Plastikfolien oder -beuteln und zeigte, dass diese im Vergleich zur Routineversorgung zu höheren Temperaturen bei der Aufnahme in NICUs mit weniger Hypothermie führten, insbesondere bei extrem frühen Säuglingen. Wärmematten und SSC reduzierten im Vergleich mit der Routinepflege ebenfalls das Risiko für Hypothermie, aber die Ergebnisse basieren lediglich auf zwei kleinen Studien oder weniger. Vorsicht ist geboten bezüglich einer iatrogenen Hyperthermie, insbesondere wenn mehrere Maßnahmen gleichzeitig angewandt werden. Eine eingeschränkte Evidenz deutet auf einen Nutzen hin und es gibt keine Evidenz für einen Schaden für die meisten kurzfristigen Morbiditäts-Endpunkte, die mit Hypothermie einhergehen, einschließlich schwere Gehirnschäden, bronchopulmonale Dysplasie, Retinopathie bei Frühgeborenen, nekrotisierende Enterokolitis und nosokomiale Infektionen. Viele Beobachtungsstudien haben eine erhöhte Sterblichkeit bei hypothermischen Frühgeborenen gezeigt, verglichen mit jenen, die eine Normkörpertemperatur aufwiesen. Noch liegt nicht ausreichend Evidenz vor um darauf hinzuweisen, dass diese Maßnahmen das Risiko einer Sterblichkeit im Krankenhaus für alle Vergleichsgruppen reduziert. Hypothermie könnte ein Marker für Krankheit und ungünstige Endpunkte sein, nicht aufgrund von Kausalität, sondern aufgrund von Assoziation. Zu den Einschränkungen dieses Reviews zählen die geringe Anzahl von identifizierten Studien, kleine Stichprobengrößen und die Unterschiedlichkeit der Methoden und Definitionen, die für Hypothermie, Hyperthermie, Körpernormtemperatur, Routineversorgung und Morbidität verwendet wurden, zusammen mit dem Mangel an Teststärke, um Effekte auf die Morbidität und Mortalität innerhalb der meisten Vergleichsgruppen nachzuweisen. Zukünftige Studien sollten: eine adäquate Teststärke aufweisen, um seltenere Endpunkte aufzuzeigen, Standarddefinitionen für Morbidität verwenden und sich auf längerfristige Endpunkte, insbesondere auf Endpunkte in der Neuroentwicklung, konzentrieren.

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Hintergrund: 

Die Temperatur von Neugeborenen (bei der Verlegung/Aufnahme) ist ein starker Prädiktor für Endpunkte in allen Schwangerschaftswochen. Die Hypothermie unmittelbar nach der Geburt bleibt weltweit ein Problem und ist, wenn sie länger andauert, mit Schäden verbunden. Selbst wenn die empfohlenen Richtlinien zur Wärmeerhaltung im Kreißsaal routinemäßig befolgt werden, ist es schwierig, Frühgeborene warm zu halten.

Zielsetzungen: 

Es sollten die Wirksamkeit und Sicherheit spezieller Maßnahmen zur Vorbeugung von Hypothermie bei Frühgeborenen und/oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht, die in den ersten 10 Minuten nach der Geburt im Kreißsaal angewandt werden, im Vergleich zu routinemäßiger thermischer Versorgung oder jeder anderen einzeln/en oder kombinierten Maßnahme/n, die ebenfalls zur Vorbeugung von Hypothermie bei Frühgeborenen und/oder Neugeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht bestimmt sind und in den ersten 10 Minuten nach der Geburt im Kreißsaal angewandt werden, beurteilt werden.

Suchstrategie: 

Wir benutzten die Standard-Suchstrategie von Cochrane Neonatal zur Suche im Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL; 2016, Issue 5), in MEDLINE via PubMed (1966 bis 30. Juni 2016), in Embase (1980 bis 30. Juni 2016) und in CINAHL (1982 bis 30. Juni 2016). Wir haben die Suche auch in Datenbanken für klinische Studien durchgeführt, sowie nach Konferenzberichten und in Referenzlisten der abgerufenen Artikel für randomisierte kontrollierte Studien und quasi-randomisierte Studien gesucht.

Auswahlkriterien: 

Studien, in denen die Zuteilung randomisiert oder quasi-randomisiert erfolgte, um Maßnahmen zu untersuchen, die Hypothermie verhindern sollen (neben Routine-Wärmeerhaltungsmaßnahmen) und innerhalb der ersten 10 Minuten nach der Geburt im Kreißsaal bei Neugeborenen < 37 Wochen Schwangerschaft und/oder Geburtsgewicht ≤ 2500 Gramm angewendet werden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Für die Datensammlung und -analyse haben wir Methoden von Cochrane Neonatal verwendet.

Hauptergebnisse: 

Fünfundzwanzig Studien mit 15 Vergleichsgruppen erfüllten die Einschlusskriterien und wurden folgendermaßen kategorisiert: Schutz vor Wärmeverlust (18 Studien), äußere Wärmequellen (drei Studien) und die Kombination mehrerer Maßnahmen (vier Studien).

Schutz vor Wärmeverlust

Plastikfolie oder -beutel versus Routinepflege

Plastikfolien verbesserten die Körperkerntemperatur bei der Aufnahme auf die Neugeborenen-Intensivstation (neontatal intensive care unit, NICU) oder bis zu 2 Stunden nach der Geburt (mittlere Differenz (MD) 0,58°C, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,50 bis 0,66; 13 Studien; 1633 Neugeborene) und weniger Neugeborene wiesen bei der Aufnahme in die NICU oder bis zu 2 Stunden nach der Geburt eine Hypothermie auf (Risiko-Verhältnis (RR) 0,67, 95% KI 0,62 bis 0,72; Risikodifferenz (RD) -0,25, 95% KI -0,29 bis -0,20; number needed to treat for an additional beneficial outcome (NNTB) 4, 95% KI 4 bis 5; 10 Studien; 1417 Neugeborene). Das Risiko für Hyperthermie bei der Aufnahme auf die NICU oder bis zu 2 Stunden nach der Geburt war für Neugeborene in der eingewickelten Gruppe erhöht (RR 3,91, 95% KI 2,05 bis 7,44; RD 0,04, 95% KI 0,02 bis 0,06; number needed to treat for an additional harmful outcome (NNTH) 25, 95% KI 17 bis 50; 12 Studien; 1523 Neugeborene), aber insgesamt waren weniger Säuglinge, welche einen Plastikschutz erhielten, außerhalb der Normkörpertemperatur (RR 0,75, 95% KI 0,69 bis 0,81; RD -0,20, 95% KI -0,26 bis -0,15; NNTH 5, 95% KI 4 bis 7; fünf Studien; 1048 Neugeborene).

Die Evidenz war ungenügend um darzulegen, dass Plastikfolien oder -beutel das Sterberisiko während des Krankenhausaufenthaltes oder anderer schwerer Erkrankungen signifikant verringern, mit Ausnahme der Verringerung des Risikos von Lungenblutungen.

Die Evidenz zu Umstellungen von Maßnahmen, die auf diesem generellen Ansatz beruhen, ist noch in der Entstehung und basiert nur auf Ergebnissen von ein oder zwei kleinen Studien.

Externe Wärmequellen

Es gibt zunehmend Evidenz für die Wirksamkeit von externen Wärmequellen, einschließlich Haut-zu-Haut Kontakt (skin-to-skin care, SSC) versus Routineversorgung (eine Studie; 31 Neugeborene) und Wärmematten im Vergleich zu Routineversorgung (zwei Studien; 126 Neugeborene).

Gegenüber einer konventionellen Inkubatorenpflege zeigte sich SSC als wirksam bei der Reduzierung des Risikos für Hypothermie bei Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht ≥ 1200 und ≤ 2199 Gramm (RR 0,09; 95% KI 0,01 bis 0,64; RD -0,56; 95% KI -0,84 bis -0,27; NNTB 2, 95% KI 1 bis 4). Wärmematten (‚transwarmer’) hielten Neugeborene mit einem Geburtsgewicht ≤ 1500 Gramm signifikant wärmer (MD 0,65°C, 95% KI 0,36 bis 0,94) und reduzierten die Häufigkeit von Hypothermie bei der Aufnahme in die NICU, ohne signifikanten Unterschied im Hyperthermie-Risiko.

Kombinationen von Maßnahmen

Zwei Studien (77 Neugeborene) verglichen Wärmematten versus Plastikfolien oder -beutel für Neugeborene ≤ 28. Schwangerschaftswoche. Die Forscher berichteten von keinen signifikanten Unterschieden in der Körperkerntemperatur oder in der Häufigkeit von Hypothermie, Hyperthermie oder der Kernkörpertemperatur außerhalb des Normbereichs bei der Aufnahme auf eine NICU.

Zwei zusätzliche Studien (119 Neugeborene) verglichen Plastikbeutel und Wärmematten versus Plastikbeutel alleine bei Neugeborenen < 31. Schwangerschaftswoche. Die Meta-Analyse dieser zwei Studien zeigte eine Verbesserung der Körperkerntemperatur bei der Aufnahme auf eine NICU oder bis zu zwei Stunden nach der Geburt, aber eine Zunahme an Hyperthermie. Die Daten zeigen keinen signifikanten Unterschied für das Risiko, dass bei der Aufnahme auf die NICU die Kernkörpertemperatur außerhalb des normothermischen Bereichs liegt, noch für das Risiko für andere berichtete Morbiditäten.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

G. Krüger, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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