Fragestellung
In diesem Review wird die Wirkung oraler (durch den Mund eingenommener) Antibiotika mit der eines Placebos, keiner Behandlung oder anderen Behandlungen bei Kindern mit Mittelohrentzündung mit Erguss (OME), auch Paukenerguss genannt, verglichen.
Hintergrund
Der Paukenerguss gehört zu den häufigsten Erkrankungen in der frühen Kindheit. Er entsteht durch eine Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr hinter dem Trommelfell. Dies kann zu Hörstörungen führen, die sich wiederum auf Verhalten, Sprache und Lernfortschritte in der Schule auswirken können. Bei etwa einem von drei Kindern mit Paukenerguss finden sich Bakterien in der Flüssigkeit im Mittelohr. Einige Forscher sind daher der Meinung, dass Antibiotika bei Kindern mit Paukenerguss einen Nutzen bringen können.
Studienmerkmale
In diesem Review schlossen wir Evidenz bis zum 14. April 2016 ein. Insgesamt erfüllten 25 Studien (3663 Kinder) die Einschlusskriterien. Zwei Studien berichteten von keinem der relevanten Endpunkte, sodass 23 Studien (3258 Kinder) zur Zusammenfassung übrigblieben. Insgesamt bewerteten wir das Risiko für Bias (systematische Fehler) für die meisten Studien mit niedrig bis moderat. In den 23 Studien wurden zahlreiche unterschiedliche Antibiotika eingesetzt, die Kinder gehörten verschiedenen Altersgruppen an und litten unterschiedlich lange unter einem Paukenerguss. Die Studien untersuchten den Nutzen zu unterschiedlichen Zeitpunkten nach der Behandlung.
Hauptergebnisse
Die wichtigsten von uns bestimmten Endpunkte waren der Unterschied im Anteil der Kinder, die zwei bis drei Monate nach Beginn der Behandlung nicht mehr unter einem Paukenerguss litten, und Nebenwirkungen der Antibiotika (Durchfall, Erbrechen oder Hautausschlag).
Wir fanden Evidenz von moderater Qualität (sechs Studien mit 484 Kindern), dass bei Kindern, die mit oralen Antibiotika behandelt wurden, der Paukenerguss zwei bis drei Monate nach Behandlungsbeginn mit größerer Wahrscheinlichkeit abgeklungen war als bei den Kindern in der Kontrollgruppe. Die Anzahl der Kinder, die für ein positives Ergebnis behandelt werden mussten („number needed to treat for benefit“, NNTB), lag bei 5. Es gibt jedoch Evidenz (wenn auch von niedriger Qualität; fünf Studien, 742 Kinder) dafür, dass es bei Kindern, die mit oralen Antibiotika behandelt wurden, mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Durchfall, Erbrechen oder Hautausschlag kommt als bei den Kindern unter der Kontrollbehandlung. Die Anzahl der Kinder, die für ein negatives Ergebnis behandelt werden mussten („number needed to treat to harm“, NNTH), lag bei 20.
Im Hinblick auf den sekundären Endpunkt, das Abklingen des Paukenergusses zu einem beliebigen Zeitpunkt, fanden wir in fünf unserer Analysen, in denen wir Daten aus zwei bis 14 Studien kombinierten (Meta-Analysen) Evidenz von niedriger bis moderater Qualität für eine positive Wirkung von Antibiotika, wobei der NNTB-Wert zwischen 3 und 7 lag. Die Dauer reichte von 10 bis 14 Tagen bis zu sechs Monaten.
Im Hinblick auf andere sekundäre Endpunkte berichteten nur zwei Studien (849 Kinder) über das Hörvermögen nach zwei bis vier Wochen und kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. In keiner der Studien wurde über Daten zu Sprechen, Sprache und kognitiver Entwicklung oder zur Lebensqualität berichtet. Evidenz von niedriger Qualität zeigte keine Verbindung zwischen oralen Antibiotika und einer geringeren Anzahl eingesetzter Belüftungsröhrchen (Paukenröhrchen) (zwei Studien, 121 Kinder) oder unerwünschten Auswirkungen auf das Trommelfell (eine Studie, 103 Kinder). Es gab Evidenz von niedriger Qualität dafür, dass es bei Kindern, die mit oralen Antibiotika behandelt wurden, mit geringerer Wahrscheinlichkeit innerhalb von vier bis acht Wochen (fünf Studien, 1086 Kinder; NNTB 18) bzw. innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Behandlung (zwei Studien, 199 Kinder; NNTB 5) zu einer erneuten Mittelohrentzündung kam. Es sei jedoch angemerkt, dass die positive Wirkung oraler Antibiotika auf Mittelohrentzündungen innerhalb von vier bis acht Wochen nicht mehr statistisch signifikant war, als wir Studien mit einem hohen Risiko für Bias ausschlossen.
Qualität der Evidenz
Es gibt Evidenz von moderater Qualität dafür, dass Kinder mit Paukenerguss im Hinblick auf die Abheilung des Paukenergusses zu verschiedenen Zeitpunkten und auf die Verringerung des Auftretens akuter Mittelohrentzündung während der Nachbeobachtung im Vergleich mit der Kontrollbehandlung tatsächlich von oralen Antibiotika profitieren. Evidenz von niedriger Qualität zeigt, dass bei Kindern, die mit oralen Antibiotika behandelt wurden, mit höherer Wahrscheinlichkeit Durchfall, Erbrechen und Hautausschlag auftritt als in der Kontrollgruppe. Derzeit gibt es nur zwei Studien, in denen der Einfluss oraler Antibiotika auf das Hörvermögen untersucht wurde, und diese lieferten widersprüchliche Ergebnisse (Evidenz von niedriger Qualität). Evidenz von niedriger Qualität belegte weder eine Verbindung zwischen oralen Antibiotika und weniger eingesetzten Paukenröhrchen noch zwischen oralen Antibiotika und unerwünschten Auswirkungen auf das Trommelfell.
S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Schweiz.