Aromatherapie für Menschen mit Demenz

Hintergrund des Reviews
Medikamente, die zur Behandlung von Demenz verschrieben werden, lindern nicht immer wirksam die Symptome der Erkrankung, wie z.B. Konzentrationsschwierigkeiten, Stimmungsschwankungen, Verhaltens- und Schlafstörungen. Naturheilkundliche Therapien wie die Aromatherapie (Verwendung von ätherischen Ölen aus Heilpflanzen) sind attraktive Optionen, um diese belastenden Symptome der Demenz zu behandeln, da sie als nebenwirkungsarm gelten.

Fragestellung
Kann die Aromatherapie die Symptome einer Demenz sicher und wirksam lindern?

Unsere Vorgehensweise
Wir durchsuchten die medizinische Literatur bis zum 5. Mai 2020 nach Studien, welche die Aromatherapie bei Menschen mit Demenz mit einer Kontrollbehandlung verglichen. Letztere konnte entweder die Standardbehandlung oder eine „Schein“-Aromatherapie mit einem nicht-ätherischen Öl sein. Um einen fairen Vergleich zu gewährleisten, mussten die Studienteilnehmer zufällig entweder der Aromatherapie oder der Kontrollbehandlung zugewiesen werden. Wir untersuchten die Wirkung auf Agitation (Unruhe), Verhaltensstörungen und psychische Probleme sowie andere wichtige Symptome der Demenz. Wir suchten auch nach Berichten über Nebenwirkungen. Wir konnten die Ergebnisse nicht statistisch kombinieren, weil die Studien sich sehr voneinander unterschieden. Daher beschrieben wir die Ergebnisse der einzelnen Studien und beurteilten deren Vertrauenswürdigkeit.

Studienmerkmale
Wir fanden 13 Studien, die wir in dem Review berücksichtigten. Diese hatten insgesamt 708 Teilnehmer. Alle waren an Demenz erkrankt und lebten in Pflegeeinrichtungen. Lavendel war der am häufigsten verwendete Duftstoff der Aromatherapie. Andere Studien verwendeten auch Melissen-, Orangen- und Zedernholz-Extrakte.

Hauptergebnisse
Zehn Studien bewerteten Unruhezustände. Fünf davon hatten jedoch keine für uns verwertbaren Daten oder hatten eine sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz. Die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse der anderen fünf war niedrig oder moderat: In vier Studien wurde über keine signifikante Wirkung der Aromatherapie und in einer Studie über einen signifikanten Vorteil berichtet. In acht Studien wurden Verhaltensprobleme und psychische Probleme bewertet, wobei in drei Studien keine verwendbaren Daten vorlagen oder die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse sehr niedrig war. Die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse in den anderen fünf Studien war niedrig oder moderat. In vier Studien wurde über einen signifikanten Vorteil der Aromatherapie und in einer Studie über keine signifikante Wirkung berichtet. Über die Nebenwirkungen der Behandlung wurde entweder unzureichend oder gar nicht berichtet. Lediglich in drei Studien wurde über unsere sekundären Endpunkte berichtet: Lebensqualität, Kognition (Denken), Stimmung, Schlaf, Aufgaben des täglichen Lebens und Belastung des Pflegepersonals. Wir fanden keine Evidenz für einen Nutzen der Aromatherapie für einen dieser Endpunkte.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz
Insgesamt war die Evidenz von geringer Qualität. In vielen Studien wurde nicht gut über die Ergebnisse berichtet und andere lieferten keine verwendbaren Daten. Die meisten Studien waren sehr klein, so dass es große Unsicherheit hinsichtlich ihrer Ergebnisse gab. Ergebnisse verschiedener Studien stimmten nicht miteinander überein.

Schlussfolgerungen
Wir haben keine Evidenz für einen Nutzen der Aromatherapie bei Menschen mit Demenz gefunden. Allerdings waren viele Studiendaten nur eingeschränkt verfügbar, so dass wir keine sicheren Schlussfolgerungen ziehen können. Um festzustellen, ob die Aromatherapie die Symptome einer Demenz sicher und wirksam lindert, sind größere, gut konzipierte Studien mit einer klaren Berichterstattung erforderlich.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Wir haben keine überzeugende Evidenz für einen Nutzen der Aromatherapie (oder die Exposition gegenüber ätherischen Pflanzenölen) bei Menschen mit Demenz gefunden. Allerdings war die Aussagekraft der Daten begrenzt. Bei der Hälfte der eingeschlossenen Studien gab es Probleme mit der Durchführung oder der Berichterstattung, sodass sie bei den Schlussfolgerungen nicht berücksichtigt werden konnten. Die Ergebnisse aus den anderen drei Studien sind widersprüchlich. Über Schädigungen wurde in den eingeschlossenen Studien nur sehr schlecht berichtet. Um klare Schlussfolgerungen ziehen zu können, wären für zukünftige Studien ein besseres Studiendesign, eine bessere Berichterstattung und eine einheitliche Ergebnismessung erforderlich.

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Hintergrund: 

Medikamente, die für die Behandlung von Demenz zugelassen sind, haben nur eine begrenzte Wirksamkeit gegen kognitive Beeinträchtigungen oder belastende Verhaltensweisen (verhaltensbezogene und psychologische Symptome oder herausforderndes Verhalten gegenüber anderen Menschen). Diese sind auch für das Pflegepersonal oft einer der bedrückendsten Krankheitsaspekte. Therapien der Komplementärmedizin wie die Aromatherapie sind für Patienten, Ärzte und Familien attraktiv, weil die Wahrscheinlichkeit unerwünschter Nebenwirkungen gering ist. Daher wollten wir herausfinden, ob die Aromatherapie ein sicherer Weg zur Linderung von belastenden Verhaltensweisen bei Demenz sein könnte.

Zielsetzungen: 

Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit der Aromatherapie bei Menschen mit Demenz.

Suchstrategie: 

Wir durchsuchten am 5. Mai 2020 ALOIS, das Cochrane Dementia and Cognitive Improvement Group Specialized Register mit folgenden Suchbegriffen: Aromatherapie, Zitrone, Lavendel, Rose, Aroma, alternative Therapien, komplementäre Therapien, ätherische Öle. Zusätzlich durchsuchten wir am 5. Mai 2020 MEDLINE, Embase, PsycINFO (alle über Ovid SP), Web of Science Core Collection (über Thompson Web of Science), LILACS (über BIREME), CENTRAL (über die Cochrane Library), ClinicalTrials.gov und das Studienportal der Weltgesundheitsorganisation (WHO) (ICTRP).

Auswahlkriterien: 

Wir berücksichtigten randomisierte, kontrollierte Studien, in denen Pflanzenduftstoffe in einer als Aromatherapie definierten Intervention für Menschen mit Demenz mit einer Placebo-Aromatherapie oder einer Standardbehandlung verglichen wurden. Alle Dosierungen, Häufigkeiten und Duftstoffe für Aromatherapie wurden berücksichtigt. Die Teilnehmer der eingeschlossenen Studien hatten Demenzdiagnosen für jeglichen Subtyp und Schweregrad.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren wählten unabhängig voneinander Studien aus, extrahierten Daten und bewerteten das Risiko für Bias in den eingeschlossenen Studien, wobei sie bei Bedarf andere Autoren miteinbezogen, um einheitliche Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der Heterogenität zwischen den Studien haben wir keine Meta-Analysen durchgeführt, sondern präsentieren eine narrative Synthese der Ergebnisse aus den eingeschlossenen Studien. Da in einigen Studien die Analysemethoden heterogen waren und die Berichterstattung der Daten nur unzureichend oder gar nicht vorhanden war, haben wir bei der Synthese der Ergebnisse über die Studien hinweg die statistische Signifikanz (P ≤ oder > 0,5) als zusammenfassende Metrik verwendet. Nach Möglichkeit haben wir die GRADE-Kriterien angewandt, um die Vertrauenswürdigkeit der Studienergebnisse zu bewerten. Aufgrund des Risikos für Bias und der Ungenauigkeit haben wir dabei eine Herabstufung vorgenommen.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 13 Studien mit 708 Teilnehmern ein. Alle Teilnehmer waren an Demenz erkrankt. In den 12 Studien, in denen die Unterbringung beschrieben wurde, waren alle in institutionellen Pflegeeinrichtungen untergebracht. Neun Studien rekrutierten Teilnehmer, weil sie zu Studienbeginn signifikante Agitation oder andere verhaltensbezogene und psychologische Symptome bei Demenz (BPSD) aufwiesen. Die verwendeten Duftstoffe waren Lavendel (acht Studien); Zitronenmelisse (vier Studien); Lavendel- und Zitronenmelisse- sowie Lavendel-, Orangen- und Zedernholz-Extrakte (jeweils eine Studie). Bei sechs Studien wurde die Bewertung des Risikos für Bias und die Extraktion der Ergebnisse durch mangelhafte Berichterstattung erschwert. Vier der anderen sieben Studien wiesen in allen Bereichen ein geringes Risiko für Bias auf. Sie waren aber alle klein (18 bis 186 Teilnehmer; Mittelwert 66), wodurch die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse gesenkt wurde. Unsere primären Endpunkte waren Agitation, allgemeine verhaltensbezogene und psychologische Symptome sowie unerwünschte Wirkungen. Zehn Studien bewerteten Agitation anhand verschiedener Skalen bewertet. Von den fünf Studien, bei denen die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse moderat oder niedrig war, berichteten vier Studien keinen signifikanten Effekt für Agitation und eine Studie einen signifikanten Nutzen der Aromatherapie. Die anderen fünf Studien lieferten entweder keine verwendbaren Daten oder die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse war sehr niedrig. In acht Studien wurde die BPSD insgesamt mit Hilfe des Neuropsychiatrischen Inventars bewertet. Die Vertrauenswürdigkeit der Ergebnisse von fünf Studien war moderat oder niedrig. Davon berichteten vier einen signifikanten Nutzen der Aromatherapie und eine keinen signifikanten Effekt. Über unerwünschte Ereignisse wurden in den meisten Studien nur unzureichend oder gar nicht berichtet. Lediglich in zwei Studien wurde jeder unserer sekundären Endpunkte, Lebensqualität, Stimmung, Schlaf, Aufgaben des täglichen Lebens, Belastung der Pflegeperson, bewertet. Wir fanden keine Evidenz eines Nutzens für diese Endpunkte. In drei Studien wurde Kognition bewertet: Eine Studie lieferte keine Daten und die anderen beiden Studien berichteten keinen signifikanten Effekt der Aromatherapie auf die Kognition. Die Vertrauenswürdigkeit dieser Studienergebnisse war niedrig.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Universität Heidelberg, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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