Motorische Neuroprothesen zur Verbesserung von Aktivitäten und der Partizipation von Menschen nach einem Schlaganfall in ihrem alltäglichen Umfeld.

Fragestellung des Reviews

Sind motorische Neuroprothesen (MNs) wirksam zur Verbesserung von Aktivitäten und der Teilhabe von Menschen nach einem Schlaganfall in ihrem alltäglichen Umfeld?

Hintergrund

Menschen, die einen Schlaganfall überstanden haben, sind in der Regel von langfristigen Beeinträchtigungen, Aktivitätseinschränkungen und einer verringerten Teilhabe betroffen. MNs bestehen aus elektronischen Geräten, mit denen Strukturen des Nervensystems elektrisch stimuliert werden, um die Durchführung von Aktivitäten im alltäglichen Umfeld der Betroffenen zu unterstützen, zum Beispiel in Form einer Orthese (einem Gerät, das in einer Körperregion angewandt wird, um deren Stellung zu optimieren oder Bewegung zu begrenzen oder zu erleichtern). Die Rolle von MNs für die Verbesserung von Aktivitäten und der Partizipation nach einem Schlaganfall ist jedoch bislang unklar.

Studienmerkmale

Wir fanden vier Studien zu MNs mit insgesamt 831 Teilnehmern, deren Schlaganfall mehr als drei Monate zurücklag und deren Durchschnittsalter zwischen 53 und 64 Jahre lag. Alle Teilnehmer waren in der Lage, mit einer Geschwindigkeit zwischen weniger als 0,5 m/s und mehr als 0,7 oder sogar 0,9 m/s zu gehen. Die eingeschlossenen Studien wurden zwischen 2007 und 2015 in den USA und den Niederlanden veröffentlicht. In allen eingeschlossenen Studien wurden die MNs auf einen Nerv im Bein (den Peroneus-Nerv) angewendet, mit dem Ziel, die Anspannung eines Muskels an der Vorderseite des Beines zu unterstützen und hierüber zu verhindern, dass der Fuß in der Schwungphase des Beines während des Gehens "herabhängt". Die MNs wurden über eine Dauer von zwischen acht Stunden täglich bis ganztägig für das Gehen im alltäglichen Umfeld der Teilnehmer eingesetzt. In drei Studien wurde ein MN-Gerät verwendet, bei dem die Verbindung zum Nervensystem durch im Versorgungsgebiet des Peroneus-Nervs auf der Haut aufgebrachte Elektroden erfolgte. Nur in einer Studie wurde ein implantierbares (im Körper eingesetztes) Gerät verwendet, bei dem der elektrische Reiz direkt am Nerv durch im umliegenden Gewebe des Nervs angelegte Elektroden erfolgte. Alle Studien verglichen MNs mit einer Knöchel-Fuß-Orthese (einer Schiene), einem unterstützenden Hilfsmittel, das in der Regel aus einem starren Material besteht und von außen am Unterschenkel befestigt wird, um den Fuß und Knöchel zu stabilisieren und so das „Herabhängen“ des Fußes zu verhindern.

Hauptergebnisse

Es gibt nur begrenzte Evidenz dafür, dass der Einsatz einer MN in Form einer elektronischen Orthese für das Gehen zuhause oder in ihrem häuslichen Umfeld nach Schlaganfall Aktivitäten mit Einsatz der Beine möglicherweise nicht mehr verbessern als die Verwendung einer Knöchel-Fuß-Orthese, darunter Aktivitäten wie die Gehgeschwindigkeit zwischen 6 und 12 Monaten nach Verwendung des Gerätes (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit), der ‚Timed Up and Go Test‘ (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit), das modifizierte ‚Emory Functional Ambulation Profile‘ (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) sowie die Teilhabe-Komponente der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit), die körperliche Belastbarkeit (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit) und das Gleichgewicht (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit). Es gab Evidenz dafür, dass die Kontrollbehandlung (Knöchel-Fuß-Orthese) nach sechsmonatiger Verwendung eine höhere Gehgeschwindigkeit bewirkte (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit), allerdings waren die Verbesserungen zu gering, um für Patienten klinisch bedeutsam zu sein. Nach Ausschluss der Studie, in der die Personen, die die Ergebnisse erhoben, die Details der Behandlung kannten (das heißt nicht ‚verblindet‘ waren), war dieser Effekt nicht mehr vorhanden. Es gab keinen Unterschied in den Auswirkungen auf die Gehgeschwindigkeit zwischen Oberflächen-MNs und MNs mit implantierten Elektroden. Keine der Studien berichtete über Ergebnisse in Bezug auf die Unabhängigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens.

Die Mehrheit der Studien berichtete über in Zusammenhang mit dem Einsatz der Geräte stehende unerwünschte Ereignisse wie Stürze und schwerwiegende unerwünschte Ereignisse, deren Vorkommen bei der Verwendung von MNs und Knöchel-Fuß-Orthesen ähnlich waren (Evidenz von moderater bzw. niedriger Vertrauenswürdigkeit). In einer Studie wurde das Vorkommen von in Zusammenhang mit der Anwendung des Geräts stehenden schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen in Form schwerer Stürze ermittelt. Die Anzahl von Teilnehmern, die aus den Studien ausschieden, war bei den Teilnehmern, die eine MN erhielten, höher als bei den Teilnehmern, die eine Knöchel-Fuß-Orthese erhielten (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit). Die Ergebnisse dieses Reviews zeigen, dass über die Auswirkungen von MN nur wenig bekannt ist, und dass weitere Daten erforderlich sind.

Es ist nicht bekannt, ob Menschen weniger als drei Monate nach einem Schlaganfall vom Einsatz von MNs als Hilfsmittel bei der Durchführung von Aktivitäten des täglichen Lebens profitieren könnten. Die Wirkung von MNs im Bereich der oberen Extremität (der Arme) oder von MNs, die Gehirn- oder Muskelsignale zur Auslösung der Stimulation nutzen, ist bei von einem Schlaganfall betroffenen Menschen nicht bekannt. Wir fanden keine Evidenz für die Bewertung der Kosten für den Einsatz von MNs.

Vertrauenswürdigkeit der Evidenz

Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz reichte von moderat bis sehr niedrig.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Bossmann, C. Braun, Koordination durch Cochrane Deutschland

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