Können Tests auf Entzündungen Ärzt*innen bei der Entscheidung über die Verschreibung von Antibiotika bei Atemwegsinfektionen helfen?

Hauptaussagen

1. Wenn ein Patient mit den Symptomen einer Atemwegsinfektion in einer Arztpraxis vorstellig wird, wird durch die Verwendung von Tests auf das „C-reaktive Protein“ durch den Arzt bzw. die Ärztin wahrscheinlich die Zahl der Patient*innen, die ein Antibiotikum verschrieben bekommen, reduziert, ohne dass dadurch die Genesung der Patient*innen beeinträchtigt wird.

2. Wir wissen nicht, ob Procalcitonin Point-of-Care-Tests einen Einfluss auf den Antibiotikaeinsatz oder die Genesung der Patient*innen haben.

3. Künftige Studien sollten sich auf Kinder, Menschen mit Erkrankungen des Immunsystems und Menschen im Alter von 80 Jahren und darüber mit Komorbiditäten (zusätzlichen Erkrankungen) konzentrieren. Es werden Studien zur Bewertung von Procalcitonin und neuen Biomarkern empfohlen, um die gezielte Verschreibung von Antibiotika zu steuern.

Was sind Point-of-Care-Tests?

Für Point-of-Care-Tests werden nur wenige Tropfen Blut benötigt, die während einer Konsultation entnommen werden. Sie liefern innerhalb von 3 bis 20 Minuten Ergebnisse. Das bedeutet, dass die Blutproben nicht in ein Labor transportiert werden müssen und die Ergebnisse sofort während des Arztbesuchs für Behandlungsentscheidungen verwendet werden können. Mit Point-of-Care-Tests können verschiedene Substanzen im Blut nachgewiesen werden, die der Körper als Reaktion auf eine Entzündung produziert. Diese Stoffe werden als Biomarker bezeichnet.

Was sind Entzündungen und Biomarker?

Eine Entzündung entsteht als Reaktion auf eine Verletzung, beispielsweise eine bakterielle oder virale Infektion. Als Reaktion auf eine Entzündung produziert der Körper natürlicherweise Stoffe, die im Blut nachgewiesen werden können und als Biomarker bezeichnet werden. Point-of-Care-Tests, die Biomarker nachweisen, werden häufig bei Anzeichen einer Atemwegsinfektion eingesetzt. Die Testergebnisse können den Ärzt*innen Aufschluss darüber geben, wann keine schwere bakterielle Infektion zu vermuten ist, die mit Antibiotika behandelt werden muss, um schwere Erkrankungen und möglicherweise den Tod zu verhindern. Derzeit gibt es drei Arten von Biomarkern, die als Point-of-Care-Tests verfügbar sind: C-reaktives Protein, Procalcitonin und Leukozyten.

Was sind Antibiotika?

Antibiotika sind Medikamente, die zur Behandlung von bakteriellen Infektionen eingesetzt werden. Sie werden häufig bei Infektionen der Atemwege eingesetzt. Die meisten Infektionen der Atemwege werden jedoch durch Viren verursacht, wie z. B. eine Erkältung. Dann wirken Antibiotika nicht und können schaden. Der übermäßige Gebrauch von Antibiotika kann eine Resistenzentwicklung fördern. Das bedeutet, dass Antibiotika ihre Wirksamkeit verlieren und in der Folge möglicherweise nicht mehr gegen schwere Infektionen wirksam sind.

Warum ist es wichtig zu untersuchen, ob Tests den Ärzt*innen bei der Entscheidung über den Einsatz von Antibiotika helfen?

Kein Test kann absolute Gewissheit darüber geben, wann Antibiotika eingesetzt werden sollten. Richtig eingesetzte Biomarker könnten den Ärzt*innen jedoch bei der Entscheidung helfen, wann sie Antibiotika verschreiben sollten. Wir haben untersucht, ob Biomarker als Point-of-Care-Tests den Ärzt*innen helfen, die Verschreibung von Antibiotika zu reduzieren.

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten wissen, ob Biomarker als Point-of-Care-Test Ärzt*innen in der Primärversorgung bei der Entscheidung über den Einsatz von Antibiotika bei Menschen mit Atemwegsinfektionen helfen können.

Wir interessierten uns dafür, wie sich die Anwendung der Biomarker-Tests auf die Anzahl der Antibiotikaverschreibungen, die Genesung der Patient*innen, Krankenhauseinweisungen und das Sterberisiko auswirkt.

Wie gingen wir vor?

Wir suchten nach Studien, in denen untersucht wurde, ob Biomarker, die als Point-of-Care-Tests in der Primärversorgung eingesetzt werden, als sichere Entscheidungshilfe für die Verschreibung von Antibiotika durch Ärzt*innen dienen können.

Wir verglichen die Ergebnisse der Studien, fassten sie mit statistischen Methoden zusammen und bewerteten unser Vertrauen in die Evidenz.

Was fanden wir?

Wir fanden 13 Studien mit insgesamt 10 535 Teilnehmenden, die Symptome einer Atemwegsinfektion aufwiesen und einen Arzt oder eine Ärztin in der Primärversorgung aufsuchten, um sich behandeln zu lassen.

Zwölf Studien untersuchten Tests für den Biomarker C-reaktives Protein, und eine Studie untersuchte einen Test für den Biomarker Procalcitonin.

Die Verwendung von Tests auf C-reaktives Protein verringert wahrscheinlich die Zahl der Patient*innen, denen ein Antibiotikum verschrieben wird. Aufgrund der unterschiedlichen Studiendesigns und der Orte, an denen die Studien durchgeführt wurden, ist der genaue Effekt jedoch unsicher. Die Anwendung dieser Tests hat wahrscheinlich weder Einfluss auf die Zahl der Patient*innen, die wieder gesund werden, noch auf die Zahl der Patient*innen, die mit ihrer Behandlung zufrieden sind. Tests auf C-reaktives Protein führen möglicherweise nicht zu mehr Todesfällen. Das bedeutet, dass die Tests wahrscheinlich sicher sind, wenn sie als Grundlage für die Verschreibung von Antibiotika verwendet werden.

Wir wissen nicht, ob Procalcitonin-Tests einen Einfluss auf die Verschreibung von Antibiotika, die Genesung, Krankenhauseinweisungen oder das Sterberisiko haben.

Was schränkt die Evidenz ein?

Wir fanden eine moderate Vertrauenswürdigkeit für die Evidenz, dass C-reaktive Proteintests zu einem geringeren Antibiotikaeinsatz führen. Wir sind uns jedoch nicht sicher, ob der Einsatz von Procalcitonin-Tests zu einem geringeren Antibiotikaeinsatz führt, da wir nur eine Studie gefunden haben, die die Wirkung von Procalcitonin in der Primärversorgung untersucht hat.

Es ist unwahrscheinlich, dass neue Studien unsere Schlussfolgerung für die Auswirkungen der Tests auf C-reaktives Protein auf die Verschreibung von Antibiotika ändern werden. Es sind jedoch weitere Studien erforderlich, um die Wirksamkeit des Procalcitonin-Point-of-Care-Tests zu bewerten.

Wie aktuell ist diese Evidenz?

Die Evidenz ist auf dem Stand von Juni 2022.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

T. Brugger, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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