Frühe Geburt verglichen mit Warten auf die Geburt von Babys, denen es zum Ende der Schwangerschaft scheinbar nicht gut geht

Fragestellung

Welche Versorgung sollten Babys erhalten, bei denen vermutet wird, dass es ihnen zum Ende der Schwangerschaft hin (nach der 37. Woche) nicht gut geht? Ein Baby könnte in dieser Situation sein, weil die Plazenta nicht länger ausreichend funktioniert, was bedeutet, dass das Baby mit Nährstoffen oder Sauerstoff unterversorgt sein könnte. In diesem Cochrane Review untersuchten wir, ob es besser ist die Geburt einzuleiten oder einen Kaiserschnitt durchzuführen (beide Wege sollen sicherstellen, dass das Baby früher als geplant geboren wird) gegenüber einer Weiterführung der Schwangerschaft und dem Warten, bis die Geburt von alleine einsetzt.

Bedeutung

Wenn gesunde Frauen das Ende ihrer Schwangerschaft erreichen, kann es manchmal Anzeichen dafür geben, dass es dem Baby nicht gut geht. Manche dieser Babys werden krank geboren, vereinzelt überleben sie nicht oder zeigen Probleme in ihrer späteren Entwicklung. Mehrere Faktoren könnten auf Probleme hinweisen. Ein Babys wächst möglicherweise nicht normal und ist dadurch kleiner als erwartet (dies wird Intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR) genannt). Das Baby könnte verminderte Bewegung zeigen, was möglicherweise darauf hinweist, dass die Plazenta nicht mehr ausreichend funktioniert. Das Überwachen der fetalen Herzfrequenz (bekannt unter Kardiotokografie oder CTG) könnte mögliche Probleme aufzeigen. Ultraschall kann zudem das Fruchtwasser und den Blutfluss messen, um das Wohlbefinden des Babys zu untersuchen.

Eine Geburtseinleitung oder ein Kaiserschnitt hilft diesen Babys möglicherweise dadurch, dass sie aus dem Uterus herausgenommen werden. Jedoch bedeutet dieses frühe Eingreifen, dass die Lungen der Babys für die Außenwelt noch nicht ausreichend entwickelt sind und es möglicherweise besser für sie wäre, weiter im Uterus zu bleiben. Es ist nicht sicher, welche Option für Mutter und Kind besser ist.

Gefundene Evidenz

Wir haben drei Studien gefunden, die insgesamt 546 schwangere Frauen und ihre Babys um den Geburtstermin einschlossen (Suche: bis 31. Mai 2015). Alle drei Studien untersuchten die geplante vorzeitige Geburtseinleitung zur frühen Geburt. Zwei Studien schlossen Babys ein, bei denen ein verringertes Wachstum vermutet wurde und eine Studie untersuchte Kinder, bei denen eine geringe Fruchtwassermenge (Oligohydramnion) vermutet wurde. Alle drei Studien waren von angemessener Qualität und die stärkste Evidenz kam von der größten Studie, welche Babys mit eingeschränktem Wachstum verglich. Es gibt keine Auskunft zu Finanzierungsquellen bei diesen Studien.

Insgesamt fanden wir keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Strategien, weder bezogen auf das Überleben der Neugeborenen oder die Zahl der sehr kranken Neugeborenen, noch bezüglich der Zahl der Neugeborenen, die Probleme in der Entwicklung zeigten.

Wir betrachteten auch viele weitere Endpunkte, einschließlich der Anzahl der Kaiserschnitte und der operativen, vaginalen Geburten (mit Geburtszange oder Saugglocke). Wir können jedoch nicht sicher sein, dass es keine wesentlichen Unterschiede gibt, weil die Zahl der eingeschlossenen Frauen und Babys zu klein war. Es gab mehr Geburtseinleitungen in der Gruppe der frühen Geburten.

Schlussfolgerungen

Es gibt nicht genügend Evidenz aus Studien, um Empfehlungen für die klinische Praxis abzuleiten, bezüglich einer geplanten vorzeitigen Geburtseinleitung gegenüber dem Warten auf die Geburt gegen Ende der Schwangerschaft bei gesunden Frauen, die Babys austragen, denen es möglicherweise nicht gut geht. Weitere, größere Studien sind nötig. Wir benötigen außerdem mehr Forschung über bessere Tests zur Identifikation von Babys, denen es zum Ende der Schwangerschaft hin scheinbar nicht gut geht. Frauen sollten ihre individuellen Bedingungen mit ihren medizinischen Betreuern diskutieren, wenn eine solche Entscheidung ansteht.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Eine Strategie für geplante vorzeitige Geburt versus abwartendes Vorgehen bei einem mutmaßlich gefährdeten Fötus am Termin zeigte keine Unterschiede in den wichtigsten Endpunkten der perinatalen Mortalität, signifikante neonatale oder mütterliche Morbidität oder Beeinträchtigung der Entwicklung des Nervensystems. Bei Frauen, die der vorzeitigen Geburt zufällig zugeordnet wurden, war die Dauer der Schwangerschaft bei Geburt im Durchschnitt 10 Tage kürzer, und die Wahrscheinlichkeit, ein Baby nach 40 vollendeten Schwangerschaftswochen zu bekommen geringer, die Geburt wurden häufiger eingeleitet und Säuglinge hatten eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf einer Säuglingspflegestation aufgenommen zu werden. Es gab auch einen signifikanten Unterschied im Anteil der Kinder mit einem Geburtsgewicht unter der 2.3 Perzentile, jedoch ließ sich dies nicht auf eine Reduktion der Morbidität übertragen. Dieser Review stützt sich ausschließlich auf eine große Studie und zwei kleinere Studien, die Daten von Föten mit intrauteriner Wachstumsretardierung oder Oligohydramnion auswerten und kann daher nicht auf alle Schwangerschaften um den Termin mit mutmaßlich gefährdetem Föten übertragen werden. Es gibt andere Hinweise für die Vermutung der Beeinträchtigung eines Fötus am oder in der Nähe des Geburtstermins wie beispielsweise die mütterliche Wahrnehmung nachlassender Kindsbewegungen, sowie Ultraschall und/oder CTG Abweichungen. Zukünftige randomisierte Studien müssen die Alltagswirksamkeit der zeitlichen Planung der Geburt bei diesen Indikationen beurteilen.

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Hintergrund: 

Eine fetale Gefährdung in der Schwangerschaft um den errechneten Termin wird vermutet, wenn die folgenden klinischen Indikatoren vorliegen: intrauterine Wachstumsretardierung (IUGR = intrauterine growth restriction), nachlassende Kindsbewegungen (DFM= decreased fetal movement) oder wenn Untersuchungen wie Kardiotokographie (CTG= cardiotocography) und Ultraschall Befunde ergeben, die inkonsistent zu Standardwerten sind. Pathologische Ergebnisse würden eine sofortige Geburt erfordern, aber das Vorgehen bei “suspekten” Ergebnissen bleibt unklar und variiert weitgehend in klinischen Zentren. Es besteht eine klinische Unsicherheit über das beste Management bei Frauen mit mutmaßlich gefährdetem Kind am Termin in einer ansonsten gesunden Schwangerschaft.

Zielsetzungen: 

Die Erfassung der Wirkungen der sofortigen Geburt versus dem abwartenden Vorgehen bei mutmaßlich gefährdetem Kind am Termin auf neonatale, maternale und langfristige Ergebnisse unter Berücksichtigung der bestmöglichen verfügbaren Evidenz.

Suchstrategie: 

Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth Group’s Trials Register (31. Mai 2015) und in Referenzlisten der gefundenen Studien.

Auswahlkriterien: 

Randomisierte oder quasi-randomisierte kontrollierte Studien, die das abwartende Vorgehen bei Frauen mit einem mutmaßlich beeinträchtigtem Fötus ab 37 vollendeten Schwangerschaftswochen mit geplanter vorzeitiger Geburt vergleichen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Reviewautoren beurteilten unabhängig voneinander den Einschluss und die Qualität der Studien. Zwei Reviewautoren extrahierten unabhängig voneinander die Daten. Die Daten wurden auf Genauigkeit geprüft. Wir beurteilten die Qualität der Evidenz anhand des GRADE-Ansatzes.

Hauptergebnisse: 

Von den 20 mit der Suchstrategie identifizierten Berichten schlossen wir drei Studien ein (546 Teilnehmerinnen: 269 mit vorzeitiger Geburt und 277 mit abwartendem Vorgehen), die unsere Einschlusskriterien erfüllten. Zwei der Studien verglichen Endpunkte bei 492 Schwangerschaften mit IUGR beim Fötus und eine Studie bei 54 Schwangerschaften mit Oligohydramnion. Alle drei Studien waren von angemessener Qualität und niedrigem Risiko für Bias. Das Evidenzlevel wurde als moderat, niedrig oder sehr niedrig eingestuft, herabgestuft meist aufgrund von Ungenauigkeiten und einigen Indirektheiten. Insgesamt gab es keine Unterschiede im primären neonatalen Endpunkt der perinatalen Mortalität (keine Todesfälle in beiden Gruppen, eine Studie, 459 Frauen, moderate Qualität der Evidenz), erhebliche neonatale Morbidität (relatives Risiko (RR) 0,15, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,01 bis 2,81, eine Studie, 459 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz ), oder Beeinträchtigung der entwicklungsneuronale Behinderungen/Schädigungen im Alter von zwei Jahren (RR 2,04, 95% KI 0,62 bis 6,69, eine Studie, 459 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz). Es gab keine Unterschiede im Risiko einer nekrotischen Enterkolitis (eine Studie, 333 Säuglinge) oder Mekoniumaspiration (eine Studie, 459 Säuglinge). Es fanden sich auch keine Unterschiede im berichteten mütterlichen Endpunkt: mütterliche Mortalität (RR 3,07, 95% KI 0,13 bis 74,87, eine Studie, 459 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz ) und signifikante mütterliche Morbidität (RR 0,92, 95% KI 0,38 bis 2,22, eine Studie, 459 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz).

Die Dauer der Schwangerschaft bei Geburt war im Durchschnitt 10 Tage kürzer bei Frauen, die zu der vorzeitigen Geburt randomisiert waren (mittlere Differenz (MD) -9,50, 95% KI -10,82 bis -8,18, eine Studie, 459 Frauen) und Frauen in der Gruppe der vorzeitig eingeleiteten Geburt hatten eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit, ein Kind nach 40 vollendeten Schwangerschaftswochen zu bekommen (RR 0,10, 95% KI 0,01 bis 0,67, eine Studie, 33 Frauen). Signifikant mehr Säuglinge in der Gruppe der vorzeitigen Geburt wurden zwischenzeitlich in einer Säuglingspflegestation aufgenommen (RR 1,28, 95% KI 1,02 bis 1,61, zwei Studien, 491 Säuglinge). Es gab keinen Unterschied im Risiko für ein Atemnotsyndrom (eine Studie, 333 Säuglinge), Apgar-Score weniger als 7 nach 5 Minuten (drei Studien, 546 Säuglinge), Notwendigkeit der Reanimation (eine Studie, 459 Säuglinge), mechanische Beatmung (eine Studie, 337 Säuglinge), Aufnahme auf einer neonatalen Intensivstation (RR 0,88, 95% KI 0,35 bis 2,23, drei Studien, 545 Säuglinge, sehr niedrige Qualität der Evidenz), Dauer des Aufenthalts auf der Säuglingsstation (eine Studie, 459 Säuglinge) und Sepsis (zwei Studien, 366 Säuglinge).

Babys in der Gruppe mit abwartendem Vorgehen hatten eine größere Wahrscheinlichkeit für ein Geburtsgewicht kleiner als die 2.3 Perzentile (RR 0,51, 95% KI 0,36 bis 0,73, zwei Studien, 491 Säuglinge), jedoch gab es keine Unterschiede im Anteil der Kinder mit einem Geburtsgewicht unter der 10. Perzentile (RR 0,98, 95% KI 0,88 bis 1,10). Es gab keinen Unterschied in jeglichen berichteten mütterlichen sekundären Endpunkten einschließlich: Kaiserschnittrate (RR 1,02, 95% KI 0,65 bis 1,59, drei Studien, 546 Frauen, niedrige Qualität der Evidenz), vorzeitige Plazentalösung (eine Studie, 459 Frauen), Präeklampsie (eine Studie, 459 Frauen), vaginale Geburt (drei Studien, 546 Frauen), assistierte vaginale Geburt (drei Studien, 546 Frauen), Stillraten (eine Studie, 218 Frauen) und Stilldauer in Wochen nach der Geburt (eine Studie, 124 Frauen). Es gab einen zu erwartenden Anstieg der Rate der Einleitung in der Gruppe der vorzeitigen Geburt (RR 2,05, 95% KI 1,78 bis 2,37, eine Studie, 459 Frauen).

Es konnten keine Daten gefunden werden für die vorab festgelegten sekundären neonatalen Endpunkte, wie die Dauer der mechanischen Beatmung in Tagen, moderate bis schwere hypoxisch-ischämische Enzephalopathie oder den Bedarf für therapeutische Kühlung. Ebenso gab es keine Daten bezüglich der sekundären mütterlichen Endpunkte wie postnatale Infektion, mütterliche Auffassung von oder Zufriedenheit mit der Betreuung.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

C. Eidt, I. Nolle, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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