Ist es besser für ein Baby, sofort geboren zu werden, oder sollte der spontane Wehenbeginn abgewartet werden, wenn in bzw. ab der 38. Schwangerschaftswoche die Fruchtblase platzt?

Worum geht es?

Wenn bei einer Schwangeren in der 38. Schwangerschaftswoche oder später die Fruchtblase platzt, ohne dass die Wehen einsetzen (vorzeitiger Blasensprung, auf Englisch: prelabour rupture of membranes = PROM), gibt es zwei Möglichkeiten: erstens die Einleitung der Wehen, damit das Baby so bald wie möglich geboren wird (geplante frühzeitige Geburt), oder zweitens das Warten auf den natürlichen Wehenbeginn (Beobachten und Abwarten).

Warum ist das wichtig?

In einer früheren Version dieses Reviews kamen wir zu dem Schluss, dass die geplante frühzeitige Geburt im Vergleich mit dem Abwarten das Risiko einer Infektion der Mutter verringern kann, ohne das Risiko eines Kaiserschnitts zu erhöhen. Nach einer geplanten frühen Geburt wurden weniger Säuglinge in die Neugeborenen-Intensivstation verlegt, wobei es keine Unterschiede bei der Infektionsrate der Neugeborenen gab. Zwar bietet die frühe Einleitung der Wehen einige Vorteile, jedoch ist es wichtig, sich ein umfassenderes Bild davon zu machen, was bei der geplanten Geburt im Vergleich mit dem Abwarten auf das natürliche Einsetzen der Wehen geschieht.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Dieser Review schloss Daten aus 23 randomisierten kontrollierten Studien mit 8615 Schwangeren in der 38. Schwangerschaftswoche oder später ein. Nur drei Studien zeigten insgesamt ein geringes Risiko für systematische Fehler (Bias) und die Evidenz im Review war von sehr niedriger bis moderater Qualität. Für die geplante vorzeitige Geburt wurde in 10 Studien intravenös verabreichtes Oxytocin zur Geburtseinleitung verwendet, in 12 Studien Prostaglandine und eine Studie bewertete Caulophyllum und Akupunktur.

Die Ergebnisse zeigten, dass die geplante vorzeitige Geburt bei PROM am Termin im Vergleich mit einem abwartenden Vorgehen das Infektionsrisiko für Schwangere verringerte, einschließlich der Infektion der Eihäute, die Kind und Fruchtwasser umhüllen (Chorioamnionitis) (acht Studien, 6854 Frauen, als Evidenz von niedriger Qualitätbeurteilt). Die geplante vorzeitige Geburt verringerte auch das Risiko definitiver oder möglicher Infektionen der Babys (16 Studien, 7314 Babys, Evidenz von niedriger Qualität). Es waren jedoch keine Unterschiede zu erkennen bei den Kaiserschnittraten (23 Studien, 8576 Frauen, Evidenz von niedriger Qualität), schwerer Erkrankung oder Tod bei den Frauen (drei Studien, 425 Frauen, Evidenz von sehr niedriger Qualität), definitiven Infektionen bei den Babys (sechs Studien, 1303 Babys, Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder Tod der Babys (acht Studien, 6392 Babys, Evidenz von moderater Qualität). Babys, die durch eine geplante frühe Geburt zur Welt kamen, wurden mit geringerer Wahrscheinlichkeit in die Neugeborenen-Intensivstation verlegt (acht Studien, 6179 Babys) und sowohl Frauen (zwei Studien, 748 Frauen) als auch ihre Babys (vier Studien, 5691 Babys) verbrachten nach einer geplanten vorzeitigen Geburt weniger Zeit im Krankenhaus. Für die Frauen war die Geburtserfahrung bei einer geplanten vorzeitigen Geburt positiver als beim abwartenden Vorgehen (zwei Studien, 5134 Frauen).

Was bedeutet das?

Die geplante frühzeitige Geburt nach vorzeitigem Blasensprung kann im Vergleich zum abwartenden Vorgehen dazu beitragen, die Infektionsrate bei den Schwangeren zu senken, ohne die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts zu erhöhen. Die Infektionsrate bei den Neugeborenen kann ebenfalls gesenkt werden. Es ist jedoch Evidenz zu den langfristigen Wirkungen auf die Kinder erforderlich.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Es gibt Evidenz von niedriger Qualität, die darauf hinweist, dass eine geplante frühzeitige Geburt (mit Einleitungsmethoden wie Oxytocin oder Prostaglandinen) im Vergleich zu abwartendem Management das Risiko für mütterliche infektiöse Morbidität bei Blasensprung ab 37 vollendeten Schwangerschaftswochen oder später reduziert, ohne ein erkennbares erhöhtes Risiko für Kaiserschnitt. Die Evidenz wurde hauptsächlich herabgestuft, weil die Mehrheit der datenbeitragenden Studien ernste Einschränkungen im Design aufwies und die meisten Effektschätzer ungenau waren.

Obwohl die 23 eingeschlossenen Studien in diesem Review eine große Anzahl von Frauen und Kindern einschlossen, war die Qualität der Studien und der Evidenz insgesamt nicht hoch und bezüglich mehrerer wichtiger Endpunkte gab es eine eingeschränkte Berichterstattung. Somit wäre weitere Evidenz, die Nutzen und Schäden der geplanten frühzeitigen Geburt im Vergleich zum abwartenden Management untersucht und mütterliche, fetale, neonatale und Langzeitauswirkungen in der Kindheit, sowie die Nutzung des Gesundheitswesens betrachtet, nützlich. Jede zukünftige Studie sollte durch adäquates Design und Teststärke die Wirkungen auf kurz- und langfristige Endpunkte beurteilen. Jede zukünftige Studie sollte durch adäquates Design und Teststärke die Wirkungen auf kurz- und langfristige Endpunkte beurteilen.

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Hintergrund: 

Ein vorzeitiger Blasensprung (premature rupture of membranes/PROM) am Termin wird abwartend oder durch geplante frühzeitige Geburt betreut. Es ist unklar, ob das Warten auf einen spontanen Geburtsbeginn besser ist, als ein Eingreifen, z.B. durch Geburtseinleitung

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews ist die Erfassung der Wirkungen einer geplanten frühzeitigen Geburt (sofortiges Eingreifen oder Eingreifen innerhalb von 24 Stunden) im Vergleich zum abwartenden Management (kein geplantes Eingreifen innerhalb von 24 Stunden) bei Frauen mit vorzeitigem Blasensprung am Termin, auf mütterliche, fetale und neonatale Endpunkte.

Suchstrategie: 

Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth Trials Register (9. September 2016) und in Referenzlisten der gefundenen Studien.

Auswahlkriterien: 

Randomisierte oder quasi-randomisierte kontrollierte Studien zu geplanter frühzeitiger Geburt verglichen mit abwartendem Management (entweder im Krankenhaus oder zu Hause) bei Frauen mit vorzeitigem Blasensprung bei 37 vollendeten Schwangerschaftswochen oder später.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Studien auf Einschluss, extrahierten die Daten und beurteilten das Risiko für Bias der eingeschlossenen Studien. Die Daten wurden auf Genauigkeit geprüft.

Hauptergebnisse: 

In die Aktualisierung dieses Review wurden 23 Studien mit insgesamt 8615 Frauen und ihren Neugeborenen eingeschlossen. Zehn Studien untersuchten intravenöse Oxytocingabe, zwölf Studien untersuchten Prostaglandine (sechs Studien in Form von vaginalem Prostaglandin E2 und sechs als oral, sublingual oder vaginales Misoprostol) und je eine Studie untersuchte Caulophyllum und Akupunktur. Insgesamt wurden drei Studien mit niedrigem Risiko für Bias beurteilt, während die anderen 20 ein unklares oder hohes Risiko für Bias hatten.

Primäre Endpunkte: Frauen mit einer geplanten frühzeitigen Geburt hatten ein reduziertes Risiko für mütterliche infektiöse Morbidität (Chorioamnionitis und/oder Endometritis) verglichen mit Frauen, die mit abwartendem Management nach vorzeitigem Blasensprung am Termin betreut wurden (durchschnittliches relatives Risiko (RR) 0,49; 95% Konfidenzinterval (KI) 0,33 bis 0,72; acht Studien, 6864 Frauen, Tau² = 0,19; I² = 72%, niedrige Qualität der Evidenz), und ihre Neugeborenen hatten weniger häufig eindeutige oder wahrscheinliche frühe Neugeborenensepsis (RR 0,73; 95% KI 0,58 bis 0,92; 16 Studien, 7314 Säuglinge, niedrige Qualität der Evidenz). Es wurden keine klaren Unterschiede beobachtet zwischen der Gruppe mit geplanter frühzeitiger Geburt und abwartender Betreuung in Bezug auf das Risiko eines Kaiserschnittes (durchschnittliches RR 0,84; 95% KI 0,69 bis 1,04; 23 Studien, 8576 Frauen, Tau² = 0,10; I² = 55%; niedrige Qualität der Evidenz), schwerwiegender mütterlicher Morbidität oder Mortalität (keine Ereignisse, drei Studien, 425 Frauen, sehr niedrige Qualität der Evidenz), eindeutiger früher Neugeborenensepsis (RR 0,57; 95% KI 0,24 bis 1,33; sechs Studien, 1303 Säuglinge, sehr niedrige Qualität der Evidenz) oder perinataler Mortalität (RR 0,47; 95% KI 0,13 bis 1,66; acht Studien, 6392 Säuglinge; moderate Qualität der Evidenz).

Sekundäre Endpunkte: Frauen mit geplanter frühzeitiger Geburt hatten ein reduziertes Risiko für Chorioamnionitis (durchschnittliches RR 0,55; 95% KI 0,37 bis 0,82; acht Studien, 6874 Frauen; Tau² = 0,19; I² = 73%), und postpartale Septikämie (RR 0,26; 95% KI 0,07 bis 0,96; drei Studien, 263 Frauen), und ihre Neugeborenen bekamen weniger häufig Antibiotika (durchschnittliches RR 0,61; 95% KI 0,44 bis 0,84; 10 Studien, 6427 Säuglinge; Tau² = 0,06; I² = 32%). Frauen in der Gruppe mit frühzeitiger Geburt hatten häufiger eine Geburtseinleitung (durchschnittliches RR 3,41, 95% KI 2,87 bis 4,06; 12 Studien, 6945 Frauen, Tau² = 0,05; I² = 71%), hatten eine kürzere Zeitspanne vom vorzeitigen Blasensprung bis zur Geburt (mittlere Differenz (MD) -10,10 Stunden; 95% KI -12,15 bis -8,06; neun Studien, 1484 Frauen, Tau² = 5,81; I² = 60%), und ihre Säuglinge hatten ein niedrigeres Geburtsgewicht (MD -79,25g, 95% KI -124,96 bis -33,55, fünf Studien, 1043 Säuglinge). Frauen mit geplanter frühzeitiger Geburt hatten eine kürzere Dauer des Krankenhausaufenthaltes (MD -0,79 Tage; 95% KI -1,20 bis -0,38; zwei Studien, 748 Frauen Tau² = 0,05; I² = 59%), und ihre Säuglinge wurden weniger häufig auf einer speziellen Neugeborenenstation aufgenommen (RR 0,75; 95% KI 0,66 bis 0,85; acht Studien, 6179 Säuglinge), und hatten eine kürzere Dauer des Krankenhaus- (-11,00 Stunden; 95% KI -21,96 bis -0,04; eine Studie, 182 Säuglinge) oder Spezial- oder Intensivstationsaufenthaltes (RR 0,72; 95% KI 0,61 bis 0,85; vier Studien, 5691 Säuglinge). Frauen in der Gruppe mit geplanter frühzeitiger Geburt hatten positivere Erfahrungen verglichen mit Frauen in der Gruppe mit abwartendem Management.

Keine klaren Unterschiede zwischen den Gruppen wurden beobachtet bei Endometritis, postpartaler Pyrexie, postpartalem Einsatz von Antibiotika, Kaiserschnitt wegen fetalem Distress, operativer vaginaler Geburt, Uterusruptur, Epiduralanästhesie, postpartalen Blutungen, unerwünschten Wirkungen, Nabelschnurvorfall, Totgeburt, neonataler Mortalität, Pneumonie, Apgar Score weniger als sieben nach fünf Minuten, Einsatz mechanischer Beatmung oder Anomalie bei zerebralem Ultraschall (keine Ereignisse).

Keine der Studien berichtete über Stillen, postnatale Depression, Schwangerschaftsalter bei Geburt, Meningitis, Atemnotsyndrom, nekrotisierende Enterokolitis, neonatale Enzephalopathie oder Auffälligkeiten bei den Nachuntersuchungen in der Kindheit.

In den Subgruppenanalysen fanden sich keine klaren Muster für unterschiedliche Wirkungen bei Methoden der Einleitung, Parität, Einsatz von mütterlicher Antibiotika-Prophylaxe oder digitale vaginale Untersuchung. Ergebnisse der Sensitivitätsanalysen, basierend auf der Studienqualität, stimmten mit denen der Hauptanalyse überein, ausgenommen die eindeutige oder wahrscheinliche frühe Neugeborenensepsis, wo keine klaren Unterschiede beobachtet wurden.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Deutschland, Abstract: C. Eidt, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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