Kompressionsverbände oder -strümpfe versus keine Kompression bei der Behandlung venöser Beingeschwüre

Beingeschwüre sind offene Hautwunden am Unterschenkel, die Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern können.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Bei Verwendung von Kompressionsverbänden oder -strümpfen kommt es bei Personen mit venösen Beingeschwüren wahrscheinlich schneller zu einer vollständigen Wundheilung und bei mehr Personen heilen die Wunden vollständig ab. Das Tragen von Kompressionsverbänden oder -strümpfen verringert wahrscheinlich die Schmerzen und die krankheitsspezifische Lebensqualität verbessert sich dadurch möglicherweise. Es besteht Unsicherheit hinsichtlich unerwünschter Ereignisse und bezüglich der Kostenwirksamkeit.

Künftige wissenschaftliche Arbeiten sollten sich auf den Vergleich alternativer Kompressionsverbände und -strümpfe mit dem primären Endpunkt der Zeit bis zur vollständigen Wundheilung sowie auf unerwünschte Ereignisse, einschließlich des Schmerz-Scores und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität, konzentrieren und nach Möglichkeit eine Analyse zur Kostenwirksamkeit beinhalten. Studien, die zukünftig durchgeführt und ausgewertet werden, sollten sich an international anerkannte Standards halten.

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Hintergrund: 

Beingeschwüre sind offene Hautwunden am Unterschenkel, die Wochen, Monate oder sogar Jahre andauern können. Die meisten Beingeschwüre entstehen als eine Folge von Venenerkrankungen. Zur Erstbehandlung werden häufig Kompressionsverbände oder -strümpfe eingesetzt.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war die Bewertung der Wirksamkeit von Kompressionsverbänden oder -strümpfen im Vergleich zu keiner Kompression, bezogen auf die Heilung venöser Beingeschwüre, unabhängig von Umfeld und Bevölkerungsgruppe.

Suchstrategie: 

Im Juni 2020 durchsuchten wir das Cochrane Wounds Specialised Register, das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), Ovid MEDLINE (einschließlich In-Process & Other Non-Indexed Citations), Ovid Embase und EBSCO CINAHL Plus. Wir durchsuchten außerdem drei Register für laufende und unveröffentlichte klinische Studien und prüften die Referenzlisten von relevanten eingeschlossenen Studien, Reviews, Metaanalysen und Health Technology Assessments zur Identifizierung weiterer Studien. Es gab keine Einschränkungen hinsichtlich der Sprache, des Datums der Veröffentlichung oder dem Umfeld (Setting), in dem die Studien durchgeführt wurden.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte, kontrollierte Studien ein, die alle Arten von Kompressionsverbänden oder -strümpfen mit keiner Kompression bei Teilnehmenden mit venösen Beingeschwüren in jedem Setting verglichen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Mindestens zwei Review-Autoren beurteilten die Studien unabhängig voneinander, anhand vorgegebener Einschlusskriterien. Wir haben die Datenextraktion und die Bewertung des Risiko für Bias mit Hilfe des Cochrane Risk-of-Bias-Tools durchgeführt. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde gemäß dem GRADE-Ansatz bewertet.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 14 Studien ein (1391 Teilnehmer). Die meisten Studien waren klein (Stichprobenumfang der Studie im Durchschnitt: 51 Teilnehmer). Die Teilnehmenden wurden aus der Akutversorgung, aus Polikliniken und dem ambulanten Bereich rekrutiert, und ein großer Teil (65,9%; 917/1391) der Teilnehmenden hatte eine bestätigte Vorgeschichte oder klinische Anzeichen einer chronischen Venenerkrankung, eine bestätigte Ursache für eine chronische Veneninsuffizienz oder ein Verhältnis von Knöcheldruck zu Brachialdruck von mehr als 0,8 oder 0,9. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmenden lag zwischen 58,0 und 76,5 Jahren (Median): 70.1 Jahre. Die Beingeschwüre dauerten bis zur Abheilung im Durchschnitt von 9,0 Wochen bis 31,6 Monate (Median: 22,0 Monate) an, und ein großer Teil der Teilnehmenden (64,8%; 901/1391) hatte Geschwüre mit einer Fläche zwischen 5 und 20 cm 2. Die durchschnittliche Nachbeobachtungszeit in den Studien lag bei 12 Wochen. Zu den angelegten Kompressionsverbänden oder -strümpfen gehörten Kurzzugbinden, vierlagige Kompressionsverbände und Unna Boot (eine Art unelastische Mullbinde, die mit Zinkoxid imprägniert ist) und die Vergleichsgruppen umfassten die „Regelversorgung“, eine pharmakologische Behandlung, eine Reihe von Verbänden und eine Reihe von Behandlungen, bei denen einige Teilnehmenden eine Kompression erhielten (dies war jedoch nicht die Norm). 10 von den 14 eingeschlossenen Studien (71,4%) wiesen Ergebnisse auf, die wir insgesamt mit einem hohen Risiko für Bias einstuften.

Primäre Endpunkte

Es gibt Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit (einmal wegen des Risiko für Bias herabgestuft), (1) dass die Zeit bis zur vollständigen Abheilung von venösen Beingeschwüren bei Personen, die Kompressionsverbände oder -strümpfe tragen, wahrscheinlich kürzer ist als bei Personen, die keine Kompression tragen (gepoolte Hazard Ratio für die Zeit bis zur vollständigen Abheilung 2,17, 95% Konfidenzintervall (KI) 1,52 bis 3.10; I2 = 59%; 5 Studien, 733 Teilnehmer); und (2) dass bei Personen, die mit Kompressionsverbänden oder -strümpfen versorgt werden, die Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Abheilung des Geschwürs innerhalb von 12 Monaten höher ist als bei Personen, die keine Kompression tragen (10 Studien, 1215 Teilnehmer): Risikoverhältnis für eine vollständige Heilung 1,77, 95% KI 1,41 bis 2,21; I2 = 65% (8 Studien mit auswertbaren Daten, 1120 Teilnehmer); eine Zusammenfassung ohne Metaanalyse (narrativer Ergebnisbericht) deutet auf mehr vollständig abgeheilte Geschwüre bei Kompressionsverbänden oder -strümpfen hin als bei keiner Kompression (2 Studien ohne auswertbare Daten, 95 Teilnehmer).

Es ist nicht sicher, ob es einen Unterschied in der Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen zwischen der Verwendung von Kompressionsverbänden oder -strümpfen und keiner Kompression gibt (Evidenz mit sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit; 3 Studien, 585 Teilnehmer).

Sekundäre Endpunkte

Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass Personen, die Kompressionsverbände oder -strümpfe tragen, wahrscheinlich einen niedrigeren mittleren Schmerzwert haben als Personen, die keine Kompression tragen (vier Studien mit 859 Teilnehmern und eine weitere Studie mit 69 Geschwüren): gepoolter mittlerer Unterschied -1,39, 95% KI -1,79 bis -0,98; I2 = 65% (zwei Studien mit 426 Teilnehmern und eine weitere Studie mit 69 Geschwüren mit auswertbaren Daten); eine Zusammenfassung ohne Metaanalyse (narrativer Ergebnisbericht) deutet auf eine Verringerung der Schmerzen bei Unterschenkelgeschwüren mit Kompressionsverbänden oder -strümpfen hin, verglichen mit keiner Kompression (zwei Studien ohne auswertbare Daten, 433 Teilnehmer). Mit Kompressionsverbänden oder -strümpfen verbessert sich, verglichen mit keiner Kompression, möglicherweise die krankheitsspezifische Lebensqualität, jedoch nicht alle Aspekte des allgemeinen Gesundheitszustands während der Nachbeobachtungszeit von 12 Wochen bis 12 Monaten (vier Studien mit 859 Teilnehmern; niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Es ist nicht sicher, ob die Verwendung von Kompressionsverbänden oder -strümpfen kosteneffizienter ist, als sie nicht zu verwenden (drei Studien mit 486 Teilnehmern; sehr niedrige Vertrauenswürdigkeit der Evidenz).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Haug, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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