Plasmatransfusionen vor größeren Operationen (außer Herzoperationen) oder invasiven Eingriffen, um Blutungen vorzubeugen

Fragestellung

Menschliches Plasma, ein Blutbestandteil, wird Menschen oft per Transfusion verabreicht, bevor sie sich einer Operationen oder anderen Eingriffen (wie das Einführen eines Thoraxdrainage-Schlauchs) unterziehen, wenn Blutuntersuchen zeigen, dass ihr Blut nicht ausreichend gerinnen könnte. Ziele dieses Reviews waren zu untersuchen, wie wirksam dieses Vorgehen darin ist, nachfolgende Blutungen oder den Bedarf an Bluttransfusionen zu senken und ob dieser Ansatz das Risiko, zu sterben oder andere signifikant schädliche Wirkungen zu erleben, erhöht. Der Review schloss Menschen mit erblichen Blutungsstörungen und jene, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen, aus.

Hintergrund

Menschliches Plasma wird von Blutspendern gewonnen. Es enthält viele Faktoren, die die Blutgerinnung fördern. Obwohl Personen Plasma per Transfusion erhalten können, wenn Blutuntersuchungen darauf hindeuten, dass ihr Blut möglicherweise nicht ausreichend gerinnt, haben diese Tests ihre Grenzen. Das Blut einer Person könnte ausreichend gerinnen, trotz ungewöhnlicher Testergebnisse. Ungewöhnliche Testergebnisse können außerdem nicht klar vorhersagen, bei welchen Personen es zu einer andauernden Blutung kommt. Darüber hinaus korrigieren Plasmatransfusionen abnormale Bluttests in unterschiedlichem Ausmaß.

Zusätzlich ist Plasma teuer und einige Länder haben Probleme mit einem Mangel an Blutprodukten, der Zuverlässigkeit von Spendern und unvollständigen Untersuchungen auf Infektionen, die durch die Transfusion eines Blutprodukts übertragen werden könnten. Angesichts des Potentials für lebensbedrohliche Komplikationen durch Plasmatransfusionen birgt ihre Verwendung Risiken für Schäden, ohne dass klare Evidenz für einen Nutzen besteht.

Studienmerkmale

Wir schlossen fünf Studien ein, die allesamt in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt wurden.

Unsere Suche ist auf dem Stand vom 28. Januar 2019. Eine Studie verglich Plasmatransfusion mit keiner Transfusion. Eine andere Studie verglich Plasma- oder Thrombozytentransfusion oder beides mit weder Plasma - noch Thrombozytentransfusion. Eine Studie verglich Plasmatransfusion mit alternativen Produkten, die zur Unterstützung der Blutgerinnung verabreicht werden. Eine andere Studie verglich verschiedene Blutuntersuchungen zur Indikation einer Plasmatransfusion und eine weitere Studie verglich verschiedene Transfusionsindikatoren unter Verwendung derselben Blutuntersuchung.

Vier Studien schlossen erwachsene Teilnehmende (älter als 18 Jahre) ein und die fünfte Studie machte keine näheren Angaben über das Alter der Teilnehmenden. In vier Studien erhielten Teilnehmende Eingriffe am Krankenbett. In nur einer Studie wurden Teilnehmende eingeschlossen, die sich größeren chirurgischen Eingriffen unterzogen. Zwei Studien schlossen nur Teilnehmende auf der Intensivstation ein und zwei Studien schlossen nur Teilnehmende mit Lebererkrankungen ein.

Eine Studie umfasste nur zwei Teilnehmende. Daher schließen die Ergebnisse des Reviews die verbleibenden vier Studien mit 234 Teilnehmenden ein. Drei weitere Studien sind noch nicht abgeschlossen.

Hauptergebnisse

Beim Vergleich von Plasmatransfusion mit keiner Plasmatransfusion sind wir sehr unsicher, ob ein Unterschied in größeren Blutungen, Anzahl der Bluttransfusionen pro Patient oder schädlichen Wirkungen der Transfusion bestand (1 Studie; Evidenz von sehr niedriger Qualität). Beim Vergleich von Plasma- oder Thrombozytentransfusion oder beidem mit keiner Plasma- oder Thrombozytentransfusion sind wir sehr unsicher, ob ein Unterschied in der Sterblichkeit innerhalb von 30 Tagen oder in der Anzahl an Personen, die eine Transfusion benötigen, bestand (1 Studie; Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Beim Vergleich von Plasmatransfusion mit anderen hämostatischen Wirkstoffen sind wir sehr unsicher, ob ein Unterschied in größeren Blutungen oder schädlichen Wirkungen der Transfusion bestand (1 Studie; Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Beim Vergleich verschiedener Transfusionsindikatoren (1 Studie; 60 Teilnehmende) sind wir sehr unsicher, ob ein Unterschied in größeren Blutungen oder schädlichen Wirkungen der Transfusion bestand, da die Evidenz für diesen Endpunkt von sehr niedriger Qualität war. Die Anzahl an Personen, die Blutprodukte benötigen, könnte insgesamt niedriger sein, dies basiert allerdings auf Evidenz von niedriger Qualität.

Keine der Studien berichtete über verfahrensbezogene schädliche Ereignisse oder Lebensqualität als Endpunkt.

Qualität der Evidenz

Insgesamt war die Qualität der Evidenz bei einer Reihe von klinisch bedeutsamen Endpunkten größtenteils sehr niedrig. Dies ist auf eine Kombination von Problemen innerhalb der Studien, wie Risiko für Bias, eingeschränkte klinische Settings und ungenaue Schätzungen der Interventionswirkung, zurückführen.

Schlussfolgerungen der Autoren

Aufgrund der sehr niedrigen Qualität der Evidenz sind wir bezüglich der Wirksamkeit und Sicherheit der Verwendung von Plasma bei nicht-herzchirurgischen Operationen oder invasiven Eingriffen sehr unsicher. Da die Studien keinen breiten Bereich von chirurgischen Situationen abdecken, ist unser Vertrauen außerdem dahingehend beschränkt, die Studienergebnisse auf ein breiteres chirurgisches Umfeld anzuwenden. Insgesamt ist die eingeschränkte Evidenz zum Nutzwert von transfundiertem Plasma bei Menschen in diesem Kontext von nicht ausreichender Qualität, um seine Verwendung zu unterstützen oder abzulehnen.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Ergebnisse des Reviews zeigen Unsicherheit bezüglich Nutzwert und Sicherheit von prophylaktischer FFP-Verwendung. Dies liegt an der größtenteils sehr niedrigen Qualität der Evidenz, die zu ihrer Verwendung bei einigen klinisch bedeutsamen Endpunkten verfügbar ist und dem Mangel an Vertrauen in die breitere Anwendbarkeit von Studienergebnissen. Letzteres ist auf einen Mangel an oder der Abwesenheit von Studiendaten in Settings wie die Chirurgie größerer Körperhohlräume, umfangreiche Chirurgie von Weichgewebe, orthopädische Chirurgie oder Neurochirurgie zurückzuführen. Aufgrund der eingeschränkten Evidenz aus den RCTs können wir den Einsatz prophylaktischer FFP-Transfusion in der klinischen Praxis daher weder unterstützen noch ablehnen.

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Hintergrund: 

Wenn keine Blutungen auftreten wird häufig prophylaktisch Plasma transfundiert, um Blutungen vorzubeugen. In diesem Kontext wird es Patienten verabreicht, die durch Anomalien bei Laboruntersuchungen zur Gerinnung als gefährdet für Blutungen eingestuft werden und kurz vor einer Operation oder invasiven Eingriffen (wie Leberbiopsie oder Einführen eines Thoraxdrainage-Schlauchs) stehen. Da Plasma gerinnungsfördernde Faktoren enthält, könnte eine Plasmatransfusion das perioperative Blutungsrisiko vermindern. Dieser Endpunkt ist von klinischer Bedeutung, da perioperative Blutung und Bluttransfusion mit erhöhter Morbidität und Sterblichkeit in Verbindung gebracht wurden. Plasma ist teuer und einige Länder hatten Probleme mit einem Mangel an Blutprodukten, der Zuverlässigkeit der Spender und unvollständigen Untersuchungen auf übertragbare Infektionen. Daher bergen prophylaktische Plasmatransfusionen möglicherweise lebensbedrohliche Risiken, auch wenn ihr Nutzen noch nicht gut belegt ist.

Zielsetzungen: 

Bestimmung der klinischen Wirksamkeit und Sicherheit prophylaktischer Plasmatransfusionen für Menschen mit Anomalien in Gerinnungstests (wenn keine bereits vorliegenden vererbten Blutungsstörungen vorliegen oder gerinnungshemmenden Medikamenten eingenommen werden), die nicht-herzchirurgische Operationen oder invasive Eingriffe benötigen.

Suchstrategie: 

Wir suchten nach randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), ohne Einschränkungen bezüglich der Sprache oder des Publikationsstatus, in: Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL; 2017 Ausgabe 7); Ovid MEDLINE (ab 1946); Ovid Embase (ab 1974); Cumulative Index to Nursing and Allied Health Literature (CINAHL; EBSCOHost) (ab 1937); PubMed (nur e-Publikationen und Zitate aus laufenden Verfahren vor Drucklegung); Transfusion Evidence Library (ab 1950); Latin American Caribbean Health Sciences Literature (LILACS) (ab 1982); Web of Science: Conference Proceedings Citation Index-Science (CPCI-S) (Thomson Reuters, ab 1990); ClinicalTrials.gov; und World Health Organization (WHO) International Clinical Trials Registry Search Platform (ICTRP) bis zum 28. Januar 2019.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen RCTs mit folgenden Vergleichen ein: prophylaktische Plasmatransfusion gegen Placebo, intravenöse Flüssigkeit oder keine Intervention; prophylaktische Plasmatransfusion gegen alternative pro-hämostatischen Wirkstoffe; oder verschiedene hämostatische Schwellenwerte für prophylaktische Plasmatransfusion. Wir schlossen Teilnehmer jeden Alters ein und schlossen Studien mit Personen mit früheren aktiven Blutungen, vererbten Blutungsstörungen oder die vor Studienbeginn gerinnungshemmende Medikamente einnahmen, aus.

Datensammlung und ‐analyse: 

Wir verwendeten die von Cochrane geforderten methodischen Standardverfahren.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen fünf Studien in diesen Review ein, die allesamt in Ländern mit hohem Einkommen durchgeführt wurden. Drei weitere Studien sind noch nicht abgeschlossen.

Eine Studie verglich Transfusion mit gefrorenem Frischplasma (FFP) mit keiner Transfusion. Eine Studie verglich FFP- oder Thrombozytentransfusion oder beides mit weder FFP- noch Thrombozytentransfusion. Eine Studie verglich FFP-Transfusion mit der Verabreichung von alternativen pro-hämostatischen Wirkstoffen (Faktoren II, IX und X gefolgt von VII). Eine Studie verglich die Verwendung von verschiedenen Transfusionsindikatoren unter Verwendung der international normalisierten Verhältnismessung. Eine Studie verglich die Verwendung von thromboelastographisch geleiteten Transfusionsindikatoren unter Einsatz von Standard-Labormessungen der Gerinnung.

Vier Studien schlossen nur Erwachsene ein, während die fünfte Studie das Alter der Teilnehmer nicht angab. Vier Studien schlossen nur kleinere Eingriffe ein, die am Krankenbett durchgeführt werden konnten. Nur eine Studie schloss einige Teilnehmer ein, die sich größeren chirurgischen Eingriffen unterzogen. Zwei Studien schlossen nur Teilnehmer in der Intensivpflege ein. Zwei Studien schlossen nur Teilnehmer mit Lebererkrankungen ein.

Drei Studien rekrutierten nicht ausreichend Teilnehmer, um ihre zuvor berechnete Stichprobengröße zu erreichen. Insgesamt war die Qualität der Evidenz laut der GRADE-Methodik über verschiedene Endpunkte hinweg niedrig bis sehr niedrig. Dies lag am Risiko für Bias, Indirektheit und unzureichender Präzision.

Eine Studie wurde nach der Rekrutierung zweier Teilnehmer abgebrochen, daher basieren die Ergebnisse dieses Reviews auf den verbleibenden vier Studien (234 Teilnehmer).

Wenn Plasmatransfusion mit keiner Transfusion verglichen wurde, sind wir uns sehr unsicher, ob ein Unterschied in der 30-Tage-Sterblichkeit bestand (1 Studie zum Vergleich von FFP- oder Thrombozytentransfusion oder beidem mit weder FFP- noch Thrombozytentransfusion, 72 Teilnehmer; Risiko-Verhältnis (RR) 0,38, 95% Konfidenzintervall (KI) 0,13 bis 1,10; Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Wir sind sehr unsicher, ob es einen Unterschied in größeren Blutungen innerhalb von 24 Stunden gab (1 Studie zum Vergleich von FFP-Transfusion mit keiner Transfusion, 76 Teilnehmer; RR 0,33, 95% KI 0,01 bis 7,93; Evidenz von sehr niedriger Qualität; 1 Studie zum Vergleich von FFP- oder Thrombozytentransfusion oder beidem mit weder FFP- noch Thrombozytentransfusion, 72 Teilnehmer; RR 1,59, 95% KI 0,28 bis 8,93; Evidenz von sehr niedriger Qualität).

Wir sind sehr unsicher, ob es einen Unterschied in der Anzahl an Blutprodukttransfusionen pro Person (1 Studie, 76 Teilnehmer; die Studienautoren berichteten keinen Unterschied; Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder in der Anzahl der Personen, die eine Transfusion benötigen (1 Studie zum Vergleich von FFP- oder Thrombozytentransfusion oder beidem mit weder FFP- noch Thrombozytentransfusion, 72 Teilnehmer; die Studienautoren berichteten von keiner verabreichten Bluttransfusion; Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder im Risiko transfusionsbedingter unerwünschter Ereignisse (akute Lungenverletzung) (1 Studie, 76 Teilnehmer; die Studienautoren berichteten keinen Unterschied; Evidenz von sehr niedriger Qualität) gab.

Wenn Plasmatransfusion mit anderen pro-hämostatischen Wirkstoffen verglichen wurden, sind wir sehr unsicher, ob ein Unterschied in größeren Blutungen (1 Studie; 21 Teilnehmer; keine Ereignisse; Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder transfusionsbedingten unerwünschten Ereignissen (fieberhafte oder allergische Reaktionen) (1 Studie, 21 Teilnehmer; RR 9,82, 95% KI 0,59 bis 162,24; Evidenz von sehr niedriger Qualität) bestand.

Beim Vergleich verschiedener Indikatoren für eine FFP-Transfusion wurde die Anzahl der Personen mit benötigter Transfusion möglicherweise reduziert (für die gesamten Blutprodukte), wenn ein thromboelastographisch geleiteter Transfusionsindikator mit Standard-Labortests verglichen wurde (1 Studie, 60 Teilnehmer; RR 0,18, 95% KI 0,08 bis 0,39; Evidenz von niedriger Qualität). Wir sind sehr unsicher, ob es einen Unterschied in größeren Blutungen (1 Studie, 60 Teilnehmer; RR 0,33, 95% KI 0,01 bis 7,87; Evidenz von sehr niedriger Qualität) oder transfusionsbedingten unerwünschten Ereignissen (allergische Reaktionen) (1 Studie; 60 Teilnehmer; RR 0,33, 95% KI 0,01 bis 7,87; Evidenz von sehr niedriger Qualität) gab.

Nur eine Studie berichtete über die 30-Tage-Sterblichkeit. Keine der Studien berichtete über verfahrensbezogenen schädlichen Ereignissen (ausgenommen Blutungen) oder Lebensqualität.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

A. Wenzel, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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