Krankheitsmodifizierende Arzneimittel bei Personen mit einem erstem klinischen Ereignis, das auf Multiple Sklerose hindeutet

Dieser Review bietet eine Übersicht über die Daten, die hinsichtlich des Nutzens und der Nebenwirkungen einiger krankheitsmodifizierender Arzneimittel, vorliegenden, und die zum Zeitpunkt einer Multiple-Sklerose-Diagnose infolge eines ersten klinischen Ereignisses angewendet werden. Wir untersuchten die verfügbare Evidenz zur Beantwortung der folgenden drei Fragen: 1) Ist eine frühzeitige Behandlung von Nutzen und sicher? 2) Welches Arzneimittel ist für eine frühzeitige Behandlung am besten geeignet? 3) Ist eine frühzeitige Behandlung besser als eine spätere Behandlung?

Es lagen ausreichend Daten von 22 Studien zu den folgenden Arzneimitteln vor: Cladibrin (Movectro), Glatirameracetat (Copaxone), Interferon-beta-1b (Betaferon), Interferon-beta-1a (Rebif; Avonex) und Teriflunomid (Aubagio).

Zur ersten Frage: Ist eine frühzeitige Behandlung von Nutzen und sicher?

Verschlechterung der Behinderung (Behinderungsprogression)
Von den Personen, die Aubagio oder Rebif einnahmen, ergab sich bei 28 Personen von 100 im Verlauf der zweijährigen Behandlung eine Verschlechterung der Behinderung im Vergleich zu 34 Personen von 100, die den Placebo erhielten (6% absoluter Nutzen). Die Gesamtqualität der eingeschlossenen Studien ist sehr niedrig, daher ist unser Vertrauen in dieses Ergebnis ebenfalls niedrig.

Schübe
Eine frühzeitige Behandlung war im Vergleich zu den Personen, die einen Placebo einnahmen, mit einem geringeren Prozentsatz an Personen verbunden, die während der ersten beiden Behandlungsjahre einen zweiten Schub erlitten - d.h. Personen bei denen eine Multiple Sklerose diagnostiziert wurde. Von den Personen, die Aubagio einnahmen, litten 32 Personen von 100 im Verlauf der zweijährigen Behandlung unter remittierenden Schüben im Vergleich zu 42 Personen von 100, die den Placebo erhielten (10% absoluter Nutzen). Auch hier ist die Gesamtqualität der Evidenz sehr niedrig.

Schwerwiegende Nebenwirkungen
Bei Personen, die Aubagio, Avonex, Betaferon, Copaxone, Movectro oder Rebif anwendeten, gab es im Verlauf der zweijährigen Behandlung wahrscheinlich nur geringfügige oder keine Unterschiede bei den Nebenwirkungen im Vergleich zu den Personen, die Placebo anwendeten.

Nebenwirkungen
Von den Personen, die Betaferon einnahmen, litten 11 Personen von 100 unter Nebenwirkungen im Vergleich zu einer Person von 100, die Placebo erhielten (10% absoluter Schaden). Von den Personen, die Movectro einnahmen, litten sieben Personen von 100 unter Nebenwirkungen im Vergleich zu zwei Personen von 100, die Placebo erhielten (5% absoluter Schaden). Von den Personen, die Copaxone anwendeten, litten sechs Personen von 100 unter einer Nebenwirkung im Vergleich zu zwei Personen von 100, die Placebo erhielten (4% absoluter Schaden).

Zur zweiten Frage: Welches Arzneimittel ist für eine frühzeitige Behandlung am besten geeignet?

Verschlechterung der Behinderung (Behinderungsprogression)
Der indirekte Vergleich von Rebif mit Aubagio ergab keine Unterschiede bezüglich der Reduktion der Behinderungsprogression im Verlauf der zweijährigen Behandlung. Es gab jedoch nur wenige Studien, und die Gesamtqualität der Evidenz war sehr niedrig.

Schübe

Es war nur eine Studie zu Aubagio verfügbar, daher können wir die Wirkung der einzelnen Arzneimittel nicht miteinander vergleichen.

Nebenwirkungen
Bei Rebif und Aubagio kam es im Vergleich zu Betaferon, Copaxone oder Movectro zu weniger Behandlungsabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen.

Zur dritten Frage: Ist eine frühzeitige Behandlung besser als eine spätere Behandlung?

Verschlechterung der Behinderung (Behinderungsprogression)
Von den Personen, die eine frühzeitige Behandlung mit Avonex, Betaferon, Copaxone oder Rebif erhielten, zeigte sich bei der Nachbeobachtung nach maximal fünf Jahren bei 37 Personen von 100 eine Verschlechterung der Behinderung im Vergleich zu 40 Personen von 100, die später behandelt wurden (3% absoluter Nutzen). Die großen Schwankungen zwischen den Studien und die niedrige Qualität der Evidenz führen jedoch dazu, dass unser Vertrauen in dieses Ergebnis nur niedrig ist.

Schübe
Eine frühzeitige Behandlung war im Vergleich zu den Personen, die später behandelt wurden, mit einem geringeren Prozentsatz an Personen verbunden, die bei einer beliebigen Nachbeobachtung im Zeitraum von bis zu 10 Jahren einen weiteren Schub aufwiesen. Von den Personen, die eine frühzeitige Behandlung mit Betaferon, Copaxone oder Rebif erhielten, litten bei der Nachbeobachtung nach maximal fünf Jahren 64 Personen von 100 unter remittierenden Schüben im Vergleich zu 83 Personen von 100, die diese Arzneimittel später erhielten (19% absoluter Nutzen).

Nebenwirkungen
Wir zogen keine Schlussfolgerungen bezüglich der langfristigen Nebenwirkungen oder des Behandlungsabbruchs aufgrund von Nebenwirkungen, da die verfügbaren Daten der eingeschlossenen Studien unzulänglich waren.

Schlussfolgerung

Die niedrige Qualität der Evidenz aus den eingeschlossenen Studien legt nahe, dass ein geringfügiger und unbestimmter Nutzen einer frühzeitigen Behandlung im Vergleich zum Placebo oder einer späteren Behandlung im Hinblick auf die Verschlechterung der Behinderung (Behinderungsprogression) und die Schübe gegeben ist.

Wir können keine Schlussfolgerungen bezüglich der langfristigen Sicherheit dieser Arzneimittel ziehen, wenn diese als frühzeitige Therapie verabreicht werden, da hierzu nur unzureichend Daten berichtet wurden oder verfügbar sind.

Bis überzeugende Evidenz für Unterschiede hinsichtlich eines Nutzens krankheitsmodifizierender Arzneimittel vorliegt, stellen Arzneimittel, die bereits viele Jahre in der klinischen Praxis zum Einsatz kommen, und deren Sicherheitsprofil besser erforscht ist, wahrscheinlich die vernünftigste Wahl für eine frühzeitige Behandlung dar.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

B. Fiess, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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