Antibiotika gegen symptomlose, bakterielle Infektionen im Urin bei Nierentransplantierten

Worum geht es?
Bakterien im Urin bei Nierentransplantierten, die keine Symptome einer Harnwegsinfektion aufweisen, werden als asymptomatische Bakteriurie bezeichnet. Bis zu einer von zwei Nierentransplantierten entwickelt irgendwann nach der Transplantation eine bakterielle Infektion des Urins (Bakteriurie). Eine Bakteriurie mit Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, schmerzhaftem Wasserlassen, Bauchschmerzen und Blut im Urin ist eine Harnwegsinfektion (HWI). Eine Bakteriurie tritt häufig ohne Symptome auf und wird häufig mit Antibiotika behandelt, in der Annahme, dass dadurch eine spätere Harnwegsinfektion vermieden werden kann. Die Vermeidung von Harnwegsinfektionen könnte das Überleben der Patienten und die Funktionsfähigkeit der Transplantate verbessern. Es ist jedoch unklar, wie viele Menschen mit asymptomatischer Bakteriurie später Symptome einer Harnwegsinfektion entwickeln, ob eine Antibiotikabehandlung wirklich eine Harnwegsinfektion verhindert oder ob eine Behandlung im asymptomatischen Zustand das Überleben des Patienten*in und das Funktionieren der Niere verbessert. Außerdem kann die Einnahme von Antibiotika auch Nachteile haben. Die regelmäßige Einnahme von Antibiotika kann dazu führen, dass antibiotikaresistente Bakterien gefördert werden. Und die Einnahme von Antibiotika kann unerwünschte Wirkungen wie Durchfall verursachen. Auch die Kosten einer Behandlung mit Antibiotika sind zu berücksichtigen. In diesem Review wurde geprüft, ob eine Behandlung mit Antibiotika nützlich oder schädlich ist.

Wie gingen wir vor?

Wir durchsuchten die Literatur bis September 2017 fanden zwei Studien mit 212 Teilnehmenden. Diese zwei Studien wurden in diesem Review ausgewertet. In diesen Studien wurden Antibiotika mit keiner Behandlung verglichen.

Was fanden wir?
Die bakterielle Infektion des Urins blieb oft bestehen, egal ob Antibiotika verabreicht wurden oder nicht. Es ist ungewiss, ob Antibiotika symptomatische Harnwegsinfektionen verhindern oder das Risiko der Selektion antibiotikaresistenter Bakterien erhöhten, da es zu wenige Daten und mehrere Einschränkungen in den eingeschlossenen Studien gab. Außerdem ist unklar, ob der Einsatz von Antibiotika bei einer Harnwegsinfektion ohne Symptome das Risiko einer Transplantatabstoßung, eines Krankenhausaufenthalts aufgrund von Symptomen einer Harnwegsinfektion oder die Sterblichkeit verringert oder ob Antibiotika die Funktion des Nierentransplantats verbessern. Eine Studie mit 112 Teilnehmenden deutet darauf hin, dass es keine schwerwiegenden schädlichen Reaktionen durch die Antibiotikabehandlung gibt; auch nicht schwerwiegende unerwünschte Ereignisse schienen selten zu sein.

Schlussfolgerungen
Es ist ungewiss, ob Antibiotika bei Nierentransplantierten mit Bakterien im Urin, aber ohne Symptome, einen Nutzen haben. In einer Studie wurden die Teilnehmenden nach einem nicht zufälligen Verfahren (d. h. nach dem Transplantationscode der Patient*innen) einer Antibiotikabehandlung oder keiner Behandlung zugewiesen. In beiden Studien wussten die Teilnehmenden, welche Behandlung sie erhielten (d. h. Antibiotika oder keine Behandlung), was die Ergebnisse beeinflusst haben könnte. Zudem standen uns nicht genügend Daten zur Verfügung, um einige Auswirkungen der Antibiotikabehandlung genau einschätzen zu können. Weitere Studien sind notwendig.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Aktuell gibt es nur unzureichende Evidenz für eine antibiotische Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie bei Nierentransplantierten. Die Datenlage ist allerdings spärlich. Weitere Studien bzgl. der Routinebehandlung mit Antibiotika könnten die Praxis beeinflussen und es werden die Ergebnisse dreier laufender RCTs erwartet, die möglicherweise helfen, die bestehenden Unklarheiten zu beseitigen.

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Hintergrund: 

Die asymptomatische Bakteriurie, definiert als Bakteriurie ohne Anzeichen oder Symptome einer Harnwegsinfektion (HWI), tritt bei 17% bis 51% der Nierentransplantierten auf und steht im Verdacht, das Risiko für nachfolgende HWI zu erhöhen. Bisher gibt es keinen Konsens zur Rolle von Antibiotika bei asymptomatischer Bakteriurie bei Nierentransplantierten.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war die Bewertung des Nutzens und Schadens der Behandlung einer asymptomatischen Bakteriurie bei Nierentransplantierten mit antimikrobiell wirkenden Arzneimitteln zur Prävention symptomatischer HWI. Zusätzlich werden die Gesamtsterblichkeit und die indirekten Auswirkungen von Harnwegsinfektionen (akute Abstoßungsreaktion, Transplantatverlust, Verschlechterung der Transplantatfunktion) untersucht.

Suchstrategie: 

Eine auf systematische Suchen spezialisierte Person durchsuchte das Cochrane Kidney and Transplant Studienregister bis zum 1. September 2017 unter Verwendung von Suchbegriffen, die für diesen Review relevant sind. Studien in diesem Register werden durch Recherchen in CENTRAL, MEDLINE und EMBASE, in Konferenzberichten, im Suchportal des Internationalen Registers für klinische Studien (ICTRP) und auf ClinicalTrials.gov ermittelt.

Auswahlkriterien: 

Alle randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und Quasi-RCTs, die sich mit der Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie bei Nierentransplantierten beschäftigten, wurden berücksichtigt, unabhängig von der Sprache, in der die Studie veröffentlicht wurde, und dem Zeitpunkt der Transplantation.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren entschieden unabhängig voneinander, ob eine Studie eingeschlossen wurde, bewerteten die methodische Qualität und extrahierten die Daten. Primäre Endpunkte waren die Inzidenz symptomatischer HWI und die Inzidenz von antimikrobiellen Resistenzen. Weitere Endpunkte waren die Inzidenz des Gesamtüberlebens, Transplantatverlust, Transplantatabstoßung, Transplantatfunktion, Hospitalisierung aufgrund von HWI, unerwünschte Wirkungen der antimikrobiellen Arzneimittel und Rezidiv oder Persistenz der asymptomatischen Bakteriurie. Dichotome Ergebnisse wurden als absolute Risikodifferenz (RD) oder Risk Ratio (RR) mit 95%- Konfidenzintervall (KI) dargestellt. Bei kontinuierlichen Variablen wurde die mittlere Differenz (MD) mit 95%- KI angegeben. Zum Datenpooling wurde das Random-effects-Modell verwendet.

Hauptergebnisse: 

Es wurden zwei Studien (212 Teilnehmende), die eine Behandlung mit Antibiotika im Vergleich zu keiner Behandlung verglichen, eingeschlossen. Zusätzlich wurden drei laufende Studien identifiziert. Insgesamt betrug die Inzidenz symptomatischer HWI in den Gruppen ohne Behandlung der asymptomatischen Bakteriurie zwischen 19% und 31%. Ob die antibiotische Behandlung symptomatischen HWI vorbeugen kann, ist unsicher (2 Studien; 200 Teilnehmende): RR = 0,86 (95%-KI: 0,51 - 1,45) Ob durch die antibiotische Behandlung multiresistente Erreger selektiert werden, ist ebenfalls unsicher (1 Studie; 112 Teilnehmende): RR = 1,21 (95%-KI: 0,60 - 2,41). Die Persistenz der asymptomatischen Bakteriurie war unabhängig von der Therapie hoch . Antibiotika haben ebenfalls unsichere Effekte auf andere wichtige Patienten- und Transplantatergebnisse, beispielweise auf die Gesamtsterblichkeit (1 Studie; 112 Teilnehmende): RR = 2,23 (95%-KI: 0,21 - 23,86), den Transplantatverlust (1 Studie; 112 Teilnehmende): RR = 1,11 (95%-KI: 0,07 - 17,36), akute Abstoßungsreaktion (1 Studie; 112 Teilnehmende): RR = 0,93 (95%-KI: 0,44 - 1,97), Hospitalisierung aufgrund von HWI (1 Studie; 112 Teilnehmende): RR = 0,74 (95%-KI: 0,13 - 4,27), Transplantatfunktion (2 Studien; 200 Teilnehmende, MD in Serumkreatinin -0,06 mg/dl, 95%-KI: -0,19 - 0,08) und unerwünschten Wirkungen (1 Studie; 112 Teilnehmende: keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse in Verbindung mit der antibiotischen Therapie). Die Qualität der Evidenz war niedrig für alle Endpunkte.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schmidt, B. Schindler, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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