Tonsillektomie mit oder ohne Adenoidektomie gegenüber keiner Operation bei obstruktiven schlafbezogenen Atmungsstörungen bei Kindern

Fragestellung

Dieser Review vergleicht Nutzen und Schaden der chirurgischen Entfernung der Gaumenmandeln (Tonsillektomie) mit oder ohne Entfernung der Rachenmandeln (Adenoidektomie) mit der Behandlung ohne chirurgischen Eingriff bei Kindern mit Schlafstörungen, die auf eine Verlegung der oberen Atemwege zurückzuführen sind (sogenannte obstruktive schlafbezogene Atmungsstörungen; obstructive sleep-disordered breathing, oSDB). Wir schlossen alle bis März 2015 veröffentlichten Studien ein, in denen die Kinder nach dem Zufallsprinzip einer Operation oder keiner Operation unterzogen wurden.

Hintergrund

OSDB können sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen auftreten. Der Schweregrad bewegt sich zwischen einfachem Schnarchen und dem obstruktiven Schlafapnoe-Syndrom (obstructive sleep apnoea syndrome, OSAS), bei dem die vollständige Blockade der oberen Atemwege und die eingeschränkte Atmung über einen bestimmten Zeitraum zum Absinken des Sauerstoffgehalts im Blut führen können, wodurch das Kind aufwacht. Eine Vergrößerung der Gaumen- und Rachenmandeln gilt bei Kindern als häufigste Ursache für oSDB. Die Entfernung der Gaumenmandeln mit oder ohne Entfernung der Rachenmandeln, in Kombination als Adenotonsillektomie bezeichnet, wird daher als wichtige Erstbehandlung für die meisten Kinder angesehen.

Studienmerkmale

Wir schlossen 3 Studien mit insgesamt 562 Kindern ein. Zwei Studien wiesen ein moderates bis hohes und eine ein niedriges Risiko für Bias auf. Wir kombinierten die Studienergebnisse nicht, da sich die Studien grundlegend voneinander unterschieden. Es wurden drei verschiedene Gruppen von Kindern untersucht: Kinder mit leichtem bis mäßigem OSAS (453 Kinder zwischen 5 und 9 Jahren; CHAT-Studie), Kinder mit Symptomen und klinischen Anzeichen, die auf oSDB hindeuten (29 Kinder zwischen 2 und 14 Jahren, Goldstein-Studie) und Kinder mit Down-Syndrom oder Mukopolysaccharidose (MPS) und leichtem bis mäßigem OSAS (80 Kinder zwischen 6 und 12 Jahren; Sudarsan-Studie). Die Studien verglichen Adenotonsillektomie mit keiner Operation (CHAT- und Goldstein-Studie) oder Adenotonsillektomie mit einer Atemmaske (continuous positive airway pressure, CPAP) während des Schlafens (Sudarsan-Studie).

Hauptergebnisse

In der größten Studie mit dem geringsten Risiko für Bias (CHAT-Studie) lagen nach 7 Monaten die Mittelwerte für die krankheitsspezifische Lebensqualität und/oder Symptome bei Kindern, bei denen eine Adenotonsillektomie vorgenommen wurde, niedriger als bei Kindern, bei denen beobachtend abgewartet wurde; das bedeutet, die operierten Kinder zeigten eine bessere Lebensqualität oder weniger Symptome.

In der Sudarsan-Studie unterschieden sich die Mittelwerte der Lebensqualität bei Kindern mit OSAS in der Adenotonsillektomie- und der CPAP-Gruppe nach 12 Monaten nicht signifikant voneinander. Die modifizierten Mittelwerte auf der Epworth Sleepiness Scale (ein Verfahren zur Erfassung der Tagesschläfrigkeit) unterschieden sich in beiden Gruppen nach 6 Monaten nicht, lagen in der Operationsgruppe nach 12 Monaten jedoch niedriger.

Unerwünschte Ereignisse

In der CHAT-Studie kam es bei 15 Kindern zu einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis, nämlich bei 6 von 194 Kindern (3 %) in der Adenotonsillektomie-Gruppe und bei 9 von 203 Kindern (4 %) in der Kontrollgruppe. Goldstein berichtet von keinen größeren Komplikationen. In der Sudarsan-Studie traten bei 2 von 37 Kindern (5 %) in der Operationsgruppe postoperative Blutungen auf und bei 1 von 36 Kindern (3 %) in der CPAP-Gruppe verursachte die Atemmaske einen Hautausschlag.

Sekundäre Endpunkte

In der CHAT-Studie lagen nach 7 Monaten die Mittelwerte für die allgemeine Lebensqualität bei Kindern nach einer Adenotonsillektomie höher als bei den Kindern, bei denen beobachtend abgewartet wurde.

In der CHAT-Studie hatten sich nach 7 Monaten bei mehr Kindern in der Operationsgruppe die Ergebnisse bezüglich des Nachtschlafs normalisiert als in der Gruppe, in der beobachtend abgewartet wurde. Nach 6 Monaten waren die Ergebnisse der beiden Gruppen in der Goldstein-Studie ähnlich und in der Sudarsan-Studie unterschied sich die Rückbildung des OSAS auf der Grundlage der Ergebnisse zum Nachtschlaf in der Adenotonsillektomie- und der CPAP-Gruppe nicht signifikant voneinander.

In der CHAT-Studie erreichten neurokognitive Leistung und Aufmerksamkeit sowie die Punktzahlen für exekutive Funktionen in beiden Gruppen ähnliche Werte.

In der CHAT-Studie lagen nach 7 Monaten die Mittelwerte der von Betreuungspersonen abgegebenen Verhaltensbewertungen bei Kindern, bei denen eine Adenotonsillektomie vorgenommen wurde, niedriger (gleichbedeutend mit besserem Verhalten) als bei Kindern, bei denen beobachtend abgewartet wurde. Die von Lehrern abgegebenen Verhaltensbewertungen unterschieden sich dagegen nicht signifikant voneinander.

Qualität der Evidenz

Es liegt moderate Evidenz vor, dass für Kinder ohne Down-Syndrom oder MPS, bei denen ein leichtes bis mäßiges OSAS diagnostiziert wurde, im Hinblick auf Lebensqualität, Symptome und Verhalten, wie es von Betreuungspersonen gemeldet wird, ein Nutzen besteht. Für die Ergebnisse bezüglich des Nachtschlafs ist die Qualität der Evidenz sogar hoch. Die Evidenz zu den Wirkungen der Adenotonsillektomie bei Kindern ohne Down-Syndrom oder MPS, bei denen oSDB diagnostiziert wurde, die gleichzeitig jedoch bezüglich des Nachtschlafs normale Ergebnisse zeigten, ist von sehr niedriger Qualität. Die Evidenz für Kinder mit Down-Syndrom oder MPS, bei denen ein leichtes bis mittleres OSAS diagnostiziert wurde, ist von niedriger Qualität.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Schweiz.

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