Führt die bedingungslose Vergabe von Geld an Personen in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen zu einer besseren Gesundheit und weiteren Verbesserungen im täglichen Leben?

Fragestellung des Reviews

In einigen Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen (low- and middle-income countries, LMICs) geben Regierungen und andere Organisationen manchmal Geld an arme oder vulnerable Menschen (z. B. ältere Menschen oder Waisen), ohne dass diese etwas Bestimmtes dafür tun müssen („bedingungslose Geldtransfers"). In anderen Fällen erhalten Personen das Geld nur, wenn sie bestimmte Bedingungen erfüllen, zum Beispiel wenn sie Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen oder ihre Kinder die Schule besuchen („bedingte Geldtransfers“). Dieser Review hatte zum Ziel, Auswirkungen von bedingungslosen Geldtransfers auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und auf den Gesundheitszustand betroffener Menschen zu überprüfen, im Vergleich zu keinen, geringeren oder zu bedingten Bargeldtransfers. Weiterhin wurden die Auswirkungen von bedingungslosen Geldtransfers für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen und Gesundheitsvorsorge bewertet. Diese Ausgaben sind bestimmt durch gewisse Lebensumstände, wie zum Beispiel Schulpflichtigkeit, der Besitz von Vieh, Erwerbstätigkeit oder dem Betroffensein von extremer Armut.

Hintergrund

Bedingungslose Geldtransfers sind eine Form von sozialen Schutzinterventionen, die sich auf das Einkommen von Personen beziehen. Es ist nicht bekannt, ob bedingungslose Geldtransfers mehr, weniger oder gleich wirksam sind wie bedingte Geldtransfers. Wir haben die Evidenz zu Auswirkungen von bedingungslosen Geldtransfers auf die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und gesundheitlichen Endpunkten bei Kindern und Erwachsenen in LMICs untersucht.

Was haben wir gefunden?

Wir haben experimentelle und ausgewählte nicht-experimentelle Studien über bedingungslose Geldtransfers in allen Altersgruppen in LMICs eingeschlossen. Wir haben Studien einbezogen, in denen Personen, die einen bedingungslosen Geldtransfer erhalten haben, mit Personen, die keinen Geldtransfer erhalten haben, verglichen wurden. Wir haben Studien ausgewählt, welche die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und gesundheitliche Endpunkten untersuchten.

Wir fanden 34 Studien (25 experimentelle und 9 nicht-experimentelle Studien), mit 1.140.385 Teilnehmenden (45.538 Kinder und 1.094.847 Erwachsene) und 50.095 Haushalten aus Afrika, Amerika und Süd-Ost-Asien. Die Organisation der bedingungslosen Geldtransfers in den Interventionen erfolgte über Regierungsprogramme oder Forschungsexperimente.. Der überwiegende Teil der Studien wurde durch nationale Regierungen und/oder internationale Organisationen finanziert.

Hauptergebnisse

Wir verwenden die nachfolgend angeführten Begriffe, um den Grad unseres Vertrauens in die gefundenen Evidenz anzugeben:

- „wahrscheinlich“ für Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit;
- „möglicherweise“ für Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit; und
- „unsicher“ für Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit.

Bedingungslose Geldtransfers:

- führten möglicherweise nicht dazu, dass die Menschen in den letzten ein bis zwölf Monaten einen Gesundheitsdienst in Anspruch nahmen oder genommen haben;
- führten wahrscheinlich zu einer klinisch bedeutsamen, sehr großen Verringerung des Krankheitsrisikos der Menschen, bei denen es in den letzten 2 Wochen bis 3 Monaten zu einer Erkrankung kam;
- könnten möglicherweise die Chance für einen sicheren Zugang zu Ernährung über den vorherigen Monat gesteigert haben;
- könnten möglicherweise die durchschnittliche Anzahl an verschiedenen Lebensmittelgruppen, die in einem Haushalt in der vergangenen Woche konsumiert wurden, erhöht haben;
- haben wahrscheinlich zu einer bedeutenden, moderaten Steigerung der Wahrscheinlichkeit für Schulbesuche unter Kindern geführt;
- führten möglicherweise zu einer Verringerung des Risikos unter den Menschen, in extremer Armut zu leben;
- könnten möglicherweise die Ausgaben für die eigene Gesundheitsvorsorge gesteigert haben.

Obwohl mehrere Studien relevante Evidenz zu den Auswirkungen bedingungsloser Geldtransfers liefern, besteht weiterhin Unsicherheit über den Einfluss solcher Transfers auf die Wahrscheinlichkeit für Wachstumshemmungen (verzögertes Wachstum und Entwicklung bei Kindern) sowie die Ausprägungen von Depressionen bei Personen. Keine Studie untersuchte die Auswirkungen bedingungsloser Geldtransfers auf die Sterblichkeit.

Wir sind unsicher, ob bedingungslose Geldtransfers Auswirkungen auf den Besitz von Vieh, die Beteiligung an Kinderarbeit, die Beschäftigung von Erwachsenen und die Qualität der Kindererziehung hatten. Die Wirkung bedingungsloser Bargeldtransfers auf gesundheitliche Ungleichheit war sehr unsicher. Wir haben keine durch bedingungslose Geldtransfers verursachten Schäden identifiziert.

Drei experimentelle Studien verglichen bedingungslose mit bedingten Geldtransfers hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit irgendeine Gesundheitsdienstleistung in Anspruch genommen zu haben, der Wahrscheinlichkeit irgendeine Krankheit gehabt zu haben oder die durchschnittliche Anzahl an Nahrungsmittelkategorien, der pro Haushalt konsumierten Nahrungsmittel. Jedoch gab es jeweils nur eine Studie pro Endpunkt und die Evidenz war sehr unsicher für jene drei Endpunkte.

In den Fällen, in denen wir wenig oder gar kein Vertrauen in die Evidenz hatten, hat dies im Allgemeinen daran gelegen, dass die Studienteilnehmenden wahrscheinlich wussten, welche "Behandlung" sie bekommen haben (das heißt einen Geldtransfer oder keinen Geldtransfer), und dass die Forschenden, die die Informationen gesammelt haben, wahrscheinlich auch wussten, welche Gruppen von Personen Geld erhielten und und welche nicht. Darüber hinaus war unser Vertrauen in die Evidenz begrenzt, weil es den Forschenden bei der Hälfte der Studien nicht möglich war, die Informationen durch Nachbefragungen von einem beträchtlichen Anteil der Teilnehmenden zu erheben.

Schlussfolgerungen

Die vorliegenden Ergebnisse deuten darauf hin, dass bedingungslose Geldtransfers die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten durch Kinder und Erwachsene in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen möglicherweise nicht beeinflussen. Bedingungslose Geldtransfers verbessern wahrscheinlich oder möglicherweise die folgenden Aspekte:

- einige gesundheitliche Endpunkte (wie z. B. die Wahrscheinlichkeit eine beliebige Krankheit gehabt zu haben, die Wahrscheinlichkeit für einen sicheren Zugang zu Nahrungsmitteln und die Nahrungsmittelvielfalt);

- zwei soziale Determinanten der Gesundheit (nämlich die Wahrscheinlichkeit, eine Schule zu besuchen und in extremer Armut zu leben);

- die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung.

Die Evidenz hinsichtlich der gesundheitlichen Auswirkungen von bedingungslosen Geldtransfers im Vergleich zu bedingten Geldtransfers ist unsicher.

Wie aktuell ist die Evidenz?
Der Review ist auf dem Stand von September 2021.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

M. Reimer, S.Helmer, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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