Fingolimod bei rezidivierend-remittierender multipler Sklerose

Hintergrund

Aufgrund der autoimmunen Pathogenese (Entstehung) der multiplen Sklerose (MS) basieren die meisten Behandlungen auf den immunmodulatorischen und immunsuppressiven (das Immunsystem verändernden und unterdrückenden) Eigenschaften von Wirkstoffen wie Interferonen, Glatiramer, Azathioprin, Cyclophosphamid und Mitoxantron.

Fingolimod erhielt als erster Wirkstoff 2010 eine Zulassung als orale (durch den Mund eingenommene) Behandlung. Der Wirkstoff wird gründlich vom Körper aufgenommen, seine Aufnahme wird nicht von der Ernährung beeinflusst und er hat als orale Therapie ein großes Interesse bei den Patienten geweckt, die diese Form der Verabreichung besser annehmen als Injektionen.

Ziel des Reviews

Wir wollten die Sicherheit und den Nutzen von Fingolimod bei der Verringerung der Krankheitsaktivität bei Menschen mit rezidivierend-remittierender MS (RR-MS) bewerten. Es gibt bereits eine Reihe von Sicherheitsbedenken, darunter schwere Infektionen und unerwünschte Wirkungen auf das Herz.

Studienmerkmale

Sechs Studien mit insgesamt 5152 Teilnehmern mit RR-MS, veröffentlicht zwischen 2006 und 2014, wurden in diesen Review aufgenommen. Die Behandlungsdauer lag in drei Studien bei sechs Monaten, in einer Studie bei zwölf Monaten und in zwei Studien bei 24 Monaten.

Hauptergebnisse und Qualität der Evidenz

Die wichtigste Schlussfolgerung dieses Reviews bestand darin, dass Fingolimod, als Monotherapie (Einzelwirkstoff) in der zugelassenen Dosis von 0,5 mg einmal täglich verabreicht, im Vergleich mit einem Placebo (Scheinmedikament) die Wahrscheinlichkeit erhöht, nach 24 Monaten rezidivfrei (ohne Wiederauftreten der Symptome) zu bleiben. Der Nutzen wurde anhand von Messungen der Krankheitsaktivität durch Magnetresonanz-Bildgebung (MRT) bestätigt. Es gab jedoch keine Wirkung auf die Vorbeugung der Verschlimmerung der Krankheit; die Behandlung stand nicht mit einem erhöhten Risiko für Studienabbrüche seitens der Patienten aufgrund unerwünschter Ereignisse in Zusammenhang.

Im Vergleich derselben Dosis Fingolimod mit intramuskulärem (in den Muskel gespritztem) Interferon beta-1a brachte der Wirkstoff nach einem Jahr eine leichte Erhöhung der Zahl der Teilnehmer, die frei von Rezidiven oder von entzündlichen (Kontrastmittel aufnehmenden) Läsionen waren, und verringerte die Rezidivrate. Auch hier entdeckten wir keinen Vorteil bei der Vorbeugung des Fortschreitens der Erkrankung. Wir fanden eine größere Wahrscheinlichkeit des Absetzens aufgrund unerwünschter Ereignisse über einen kurzen Zeitraum (sechs Monate) für Fingolimod im Vergleich mit immunmodulatorischen Wirkstoffen und keinen signifikanten Unterschied im Vergleich mit Interferon beta nach 12 Monaten.

Die Dauer aller Studien lag bei 24 Monaten oder darunter, sodass die Wirkung (vor allem aber die Sicherheit) von Fingolimod über einen Zeitraum von mehr als 24 Monaten ungewiss bleibt. Dies ist jedoch ein wichtiger Aspekt bei einer lebenslangen Erkrankung mit der Wahrscheinlichkeit langfristiger Behandlungen wie MS.

Das Risiko unerwünschter Ereignisse erfordert eine sorgfältige langfristige Überwachung von Patienten und legt die Notwendigkeit von Studien mit längerer Nachbeobachtungsdauer nahe, insbesondere im Lichte der jüngsten Warnungen zur Entstehung der progressiven multifokalen Leukenzephalopathie.

Die sechs Studien in diesem Review wurden von Novartis Pharma finanziert und die meisten Mitautoren der veröffentlichten Studien gehörten dem Pharmaunternehmen an; dies wird als mögliche Quelle für Bias (systematische Fehler) gewertet.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Schmidt-Wussow, freigegeben durch Cochrane Schweiz.

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