Ernährungsberatung während Schwangerschaft zur Prävention von Gestationsdiabetes

Fragestellung

Kann eine Ernährungsberatung für Schwangere die Entwicklung von Diabetes in der Schwangerschaft, auch bekannt als Gestationsdiabetes (gestational diabetes mellitus, GDM), verhindern, der zu gesundheitlichen Komplikationen für die Frauen und ihre Babys führen kann?

Bedeutung

Bei Frauen mit GDM besteht ein erhöhtes Risiko für hohen Blutdruck und Eiweiß im Urin während der Schwangerschaft (Präeklampsie) sowie für eine Geburt durch Kaiserschnitt. Ihre Babys können stark wachsen und in der Folge unter der Geburt verletzt werden oder ihre Mütter verletzen. Zusätzlich kann ein GDM langfristige gesundheitliche Probleme für die Frauen und ihre Babys verursachen, beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Typ-2-Diabetes. Die Anzahl von Frauen, bei denen GDM festgestellt wird, steigt weltweit; daher ist es wichtig, einfache und kostenwirksame Möglichkeiten zu finden, die Entstehung von GDM zu verhindern.

Kohlenhydrate sind der Nährstoff, der die Blutzuckerwerte nach einer Mahlzeit am stärksten beeinflusst. Der glykämische Index (GI) gibt an, in welchem Maß Nahrungsmittel auf Kohlenhydratbasis diese Werte erhöhen können. Manche Ernährungsweisen, beispielsweise solche mit wenig Ballaststoffen und Lebensmitteln mit einem hohen GI, können das Risiko für GDM erhöhen. Es wurde vorgeschlagen, dass Ernährungberatung als Maßnahme in der Schwangerschaft dabei helfen könnte, die Entstehung von GDM zu verhindern.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Wir suchten am 3. Januar 2016 nach Studien und schlossen 11 randomisierte kontrollierte Studien mit 2786 Schwangeren ein. Die Qualität der Evidenz wurde als niedrig oder sehr niedrig eingestuft und das Gesamtrisiko für systematische Fehler (Bias) in den Studien war unklar bis moderat. Sechs Studien verglichen Ernährungsberatung mit der Standardversorgung, vier verglichen eine Beratung mit dem Schwerpunkt auf einer Ernährung mit niedrigem GI mit Empfehlungen für eine Ernährung mit mäßigem bis hohem GI und eine Studie verglich eine Ernährungsberatung mit dem Schwerpunkt auf einer ballaststoffreichen Ernährung mit einer Standardberatung.

fünf Studien kam es zu einem möglichen Rückgang in der Entstehung von GDM bei Frauen, die eine Ernährungsberatung erhalten hatten, im Vergleich mit denen, die die Standardversorgung erhalten hatten (1279 Frauen, Evidenz von sehr niedriger Qualität). Es trat jedoch in vier Studien kein eindeutiger Unterschied im Hinblick auf GDM zutage im Vergleich zwischen Frauen, denen zu einer Ernährung mit niedrigem bzw. mit mäßigem bis hohem GI geraten worden war (912 Frauen, Evidenz von niedriger Qualität). Zwei Studien (282 Frauen) berichteten von keinem eindeutigen Unterschied zwischen Frauen, die eine Ernährungsberatung erhalten hatten, im Vergleich mit der Standardversorgung im Hinblick auf Präeklampsie (Evidenz von niedriger Qualität), allerdings entwickelten weniger Frauen, die eine Ernährungberatung erhalten hatten, schwangerschaftsbedingt einen hohen Blutdruck (Evidenz von niedriger Qualität). Es gab in drei Studien keinen eindeutigen Unterschied zwischen den Gruppen der Frauen, denen zu einer Ernährung mit niedrigem bzw. mit mäßigem bis hohem GI geraten worden war, was die Anzahl der Babys anging, die bei der Geburt groß für das Gestationsalter waren (777 Babys, Evidenz von sehr niedriger Qualität). Nur eine Studie, in der Ernährungsberatung mit der Standardversorgung verglichen wurde, berichtete über die Anzahl von Babys, die entweder vor der Geburt oder kurz danach starben, wobei es in dieser Studie zu keinen Todesfällen kam.

Es gab keine eindeutigen Unterschiede bei den meisten anderen Endpunkten, die in den Studien ausgewertet wurden, in denen Ernährungberatung mit der Standardversorgung verglichen wurde, beispielsweise Kaiserschnitt, Dammverletzungen und kindliche Hautfaltendicke nach sechs Monaten. Frauen, die eine Ernährungsberatung erhalten hatten, nahmen jedoch während der Schwangerschaft in fünf Studien weniger zu (1336 Frauen,Evidenz von niedriger Qualität).

Ebenso gab es keine eindeutigen Unterschiede bei anderen Endpunkten, die in den Studien ausgewertet wurden, in denen Empfehlungen für eine Ernährung mit niedrigem GI mit Empfehlungen für eine Ernährung mit mäßigem bis hohem GI verglichen wurden, beispielsweise bei Kaiserschnittraten und Gewichtszunahme in der Schwangerschaft. Die Studie, in der eine Ernährungsberatung mit Schwerpunkt auf ballaststoffreicher Ernährung mit einer Standarberatung verglichen wurde, fand bei allen Endpunkten keine eindeutigen Unterschiede.

Die eingeschlossenen Studien berichteten nicht über eine große Anzahl von Endpunkten, die in diesem Review aufgeführt sind, beispielsweise im Zusammenhang mit der längerfristigen Gesundheit für die Frauen und ihre Babys (als Kinder und Erwachsene) sowie Einsatz und Kosten von Gesundheitsdiensten.

Schlussfolgerungen

Ernährungsberatung als Maßnahme bei Schwangeren kann GDM möglicherweise vorbeugen. Auf der Grundlage aktueller Studien jedoch steht noch keine schlüssige Evidenz zur Verfügung, die als Richtlinien für die Praxis dienen könnte. Weitere große, gut konzipierte randomisierte kontrollierte Studien sind erforderlich, um die Wirkungen von Ernährungsberatung als Maßnahme in der Schwangerschaft zur Vorbeugung von GDM und zur Verbesserung anderer kurz- und langfristiger gesundheitsbezogener Endpunkte für Mütter und ihre Babys zu bewerten. Fünf Studien werden derzeit noch durchgeführt, vier warten auf Einordnung (die Verfügbarkeit weiterer Informationen steht noch aus) und werden in der nächsten Aktualisierung dieses Reviews berücksichtigt.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Für Frauen, die eine Ernährungsberatung versus einer Standardbetreuung bekommen, gibt es Evidenz von sehr niedriger Qualität aus fünf Studien, die eine eventuelle Reduzierung des GDM Risikos nahelegt. Für Frauen, die eine Ernährungsberatung mit niedrigem versus mittlerem bis hohem GI erhielten, weist Evidenz von sehr niedriger Qualität aus vier Studien auf keinen klaren Unterschied hin. Bei Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, wurde eine mögliche Verminderung der schwangerschaftsbedingten Hypertonie beobachtet. Für andere berichtete primäre Endpunkte konnten keine klaren Unterschiede erkannt werden. Es gab nur wenige Daten für sekundäre Endpunkte.

Für Endpunkte, die mit GRADE bewertet wurden, wurde die Evidenz als niedrig bis sehr niedrig beurteilt und die Herabstufung basierte auf Studieneinschränkungen (Risiko für Bias), Ungenauigkeit und Inkonsistenz.

Um über die Wirkungen einer Ernährungsberatung als Intervention in der Schwangerschaft urteilen zu können, wird mehr qualitativ hochwertige Evidenz benötigt. Zukünftige Studien sollten im Design sowohl die Adhärenz und die Sicht und Vorlieben der Frauen mit einschließen, als auch über genügend statistische Teststärke verfügen, um Wirkungen auf kurz- und langfristige Endpunkte zu erforschen; in der GDM Forschung besteht ein Bedarf an solchen Studien, um zentrale Endpunkte zu sammeln und darüber zu berichten. Wir identifizierten fünf noch nicht abgeschlossene Studien und vier, bei denen die Klassifizierung noch aussteht. Wir werden diese in der nächsten Aktualisierung des Review berücksichtigen.

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Hintergrund: 

Gestationsdiabetes (GDM) ist eine Form des Diabetes, welcher in der Schwangerschaft auftritt, und der zu kurzzeitigen oder langfristigen Gesundheitsproblemen bei Müttern und Neugeborenen führen kann. Mit zunehmender Prävalenz weltweit ist es nötig Maßnahmen zu untersuchen, welche einen GDM verhindern könnten, einschließlich Interventionen zur Ernährungsberatung.

Zielsetzungen: 

Die Wirkungen von Ernährungsberatungsmaßnahmen auf die Prävention von GDM und damit verbundenen Gesundheitsproblemen von Müttern und Neugeborenen festzustellen.

Suchstrategie: 

Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth's Trials Register (3. Januar 2016) und in den Referenzlisten der gefundenen Studien.

Auswahlkriterien: 

Randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) und Quasi-RCTs, welche die Wirkungen von Ernährungsberatungsmaßnahmen mit keiner Maßnahme (Standardbetreuung) oder mit verschiedenen Ernährungsberatungsmaßnahmen vergleichen. Cluster-RCTs waren zum Einschluss zugelassen, allerdings konnten keine Studien gefunden werden.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren beurteilen unabhängig voneinander die Einschlussfähigkeit der Studien, extrahierten die Daten und bewerteten das Risiko für Bias der eingeschlossenen Studien. Die Daten wurden auf Genauigkeit überprüft. Die Qualität der Evidenz wurde mittels GRADE beurteilt.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 11 Studien ein, an denen 2786 Frauen und ihre Säuglinge teilnahmen und deren Risiko für Bias als insgesamt unklar bis moderat eingestuft wurde. Sechs Studien verglichen Ernährungsberatungmaßnahmen mit der Standardbetreuung; vier verglichen Ernährungsberatung mit niedrigem glykämischem Index (GI) versus Ernährungsberatung mit mittlerem bis hohem GI; eine Studie verglich spezielle (ballaststoffreiche) mit standardmäßiger Ernährungsberatung.

Ernährungsberatungsmaßnahmen versus Standardbetreuung (sechs Studien)

Bezogen auf die primären Endpunkte konnte ein Trend zur Reduktion von GDM bei Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, im Vergleich mit einer Standardbetreuung, beobachtet werden (mittleres relatives Risiko (RR) 0,60, 95% Konfidenzinterval (KI) 0,35 bis 1,04; fünf Studien, 1279 Frauen; Tau² = 0,20; I² = 56%; P = 0,07; GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenz); bei übergewichtigen und adipösen Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, wies die Subgruppenanalyse auf eine größere Wirksamkeit der Behandlung hin. Während kein klarer Unterschied in Bezug auf Präeklampsie beobachtet werden konnte (RR 0,61, 95% KI 0,25 bis 1,46; zwei Studien, 282 Frauen; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz), konnte bei Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, eine Reduzierung der schwangerschaftsbedingten Hypertonie festgestellt werden (RR 0,30, 95% KI 0,10 bis 0,88; zwei Studien, 282 Frauen; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz). Eine Studie, welche über perinatale Sterblichkeit berichtete, konnte keine Todesfälle identifizieren (GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenz). Keine der Studien berichtete über makrosome Neugeborene oder zu neonataler Sterblichkeit und Morbidität.

Die sekundären Endpunkte zeigten keine klaren Unterschiede bei Kaiserschnittraten (mittleres RR 0,98, 95% KI 0,78 bis 1,24; vier Studien, 1194 Frauen; Tau² = 0,02; I² = 36%; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz) oder Dammverletzungen (RR 0,83, 95% KI 0,23 bis 3,08; eine Studie, 759 Frauen; GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenz). Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, nahmen während der Schwangerschaft weniger an Gewicht zu (mittlerer Unterschied (MD) -4,70 kg, 95% KI -8,07 bis -1,34; fünf Studien, 1336 Frauen; Tau² = 13,64; I² = 96%; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz); aufgrund von nicht unerheblicher Heterogenität sollte das Ergebnis vorsichtig interpretiert werden. Keine klaren Unterschiede zeigten sich bei der Mehrheit der sekundären Endpunkte, darin eingeschlossen Adipositas bei Kindern/Erwachsenen (Hautfaltendicke mit 6 Monaten) (MD -0,10 mm, 95% KI -0,71 bis 0,51; eine Studie, 132 Kinder; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz). Frauen, die eine Ernährungsberatung erhielten, hatten einen niedrigeren Score in Bezug auf Wohlbefinden zwischen der 14. und 28. Schwangerschaftswoche, einen höheren Gewichtsverlust im dritten Schwangerschaftsmonat und hatten weniger wahrscheinlich eine Glukoseintoleranz (eine Studie).

Die Studien berichteten nicht über andere sekundäre Endpunkte, insbesondere bezogen auf den langfristigen Gesundheitszustand, die Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und die Kosten. Mit GRADE war es uns nicht möglich die folgenden Endpunkte zu bewerten: postnatale Depression, mütterlicher Diabetes Typ 2, neonatale Hypoglykämie, Diabetes Typ 2 in der Kindheit/Erwachsenenalter und neurosensorische Beeinträchtigungen.

Ernährungsberatung mit niedrigem GI versus Ernährungsberatung mit mittlerem bis hohem GI (vier Studien)

Beim Vergleich zwischen Ernährungsberatungsgruppen mit niedrigem GI und mit mittlerem bis hohem GI konnten in Bezug auf die primären Endpunkte keine klaren Unterschiede zu einem GDM Risiko gezeigt werden (RR 0,91, 95% KI 0,63 bis 1,31; vier Studien, 912 Frauen; GRADE: niedrige Qualität der Evidenz) oder zu makrosomen Neugeborenen (mittleres RR 0,60, 95% KI 0,19 bis 1,86; drei Studien, 777 Neugeborene; Tau² = 0,61; P = 0,07; I² = 62%; GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenz). Die Studien berichteten nicht über Bluthochdruckprobleme in der Schwangerschaft, perinatale Sterblichkeit, neonatale Mortalität und Morbidität.

Keine klaren Unterschiede zeigten sich für Kaiserschnittraten (RR 1,27, 95% KI 0,79 bis 2,04; zwei Studien, 201 Frauen; GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenzund Gewichtszunahme in der Schwangerschaft (MD -1,23 kg, 95% KI -4,08 bis 1,61; vier Studien, 787 Frauen; Tau² = 7,31; I² = 90%; GRADE: sehr niedrige Qualität der Evidenz), als auch für andere untersuchte sekundäre Endpunkte.

Die Studien berichteten nicht über die Mehrheit der sekundären Endpunkte, einschließlich dem langfristigen Gesundheitszustand, der Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und den Kosten. Mit GRADE war es uns nicht möglich folgende Endpunkte zu untersuchen: Dammverletzungen, postnatale Depression, mütterlicher Typ 2 Diabetes, neonatale Hypoglykämie, Diabetes Typ 2 in der Kindheit/Erwachsenenalter und neurosensorische Beeinträchtigungen.

Ballaststoffreiche Ernährung versus Standard-Ernährungsberatung (eine Studie)

Die einzige Studie in diesem Vergleich berichtete über zwei sekundäre Endpunkte. Für die mittleren Blutzuckerwerte (nach einem oralen Glukosetoleranztest in der 35. Schwangerschaftswoche) und das Geburtsgewicht zeigten sich keine klaren Unterschiede zwischen Ernährungsberatungsgruppen mit ballaststoffreicher oder Standard-Ernährungsberatung.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

G. Krüger, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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