Bisphosphonate bei fortgeschrittenem Prostatakrebs

Fragestellung

Dieser Review und Analyse verglichen die Wahrscheinlichkeiten von Schmerzreduktion, Anzahl von Knochenkomplikationen (skelettbezogene Ereignisse), Anzahl von Todesfällen, Lebensqualität, Nebenwirkungen, Verwendung von Analgetika (Schmerzmitteln) und Progression von Krebs bei Männern mit Knochenmetastasen (Knochenkrebs) durch Prostatakrebs.

Hintergrund

Die Prostata ist eine Drüse der männlichen Fortpflanzungsorgane. Prostatakrebs kann sich auf andere Teile des Körpers, einschließlich der Knochen, ausbreiten (sogenannte Metastasen). Knochenbrüche und Kompression des Rückenmarks sind gefürchtete Komplikationen, zusätzlich zum Tod aufgrund von Prostatakrebs. Bisphosphonate sind Arzneimittel, die mit der Bildung von neuem Knochen interagieren. Sie könnten nützlich dabei sein, zu verhindern, dass die Männer Knochenschmerzen, Knochenbrüche oder andere Skelettkomplikationen erfahren. Wir haben uns in diesem Review auf den Schmerz konzentriert, da Schmerzen häufig auftreten und die Aktivitäten des täglichen Lebens einschränken können und möglicherweise weitere Behandlung erfordern.

Studienmerkmale

Wir durchsuchten medizinische Datenbanken bis zum 13. Juli 2017. Zwei Review-Autoren haben die Daten unabhängig voneinander überprüft, zusammengefasst und die Ergebnisse analysiert. Dies führte zum Einschluss von 18 klinischen Studien.

Hauptergebnisse

Wir fanden Evidenz von niedriger Qualität, dass Bisphosphonate keinen klinisch relevanten Unterschied in der Schmerzlinderung (drei Studien mit 876 Männern) im Vergleich zu Placebo (Scheintherapie) oder keiner zusätzlichen Behandlung zeigten. Bisphosphonate reduzierten die Schmerzen bei 40 mehr Männern pro 1000 Männern (19 weniger bis 114 mehr).

Wir fanden Evidenz von moderater Qualität dafür, dass Bisphosphonate wahrscheinlich zu 58 weniger skelettbezogenen Ereignissen pro 1000 (85 weniger bis 27 weniger) führten. Bisphosphonate zeigten keinen deutlichen Unterschied in der Anzahl der verstorbenen Männer oder der Anzahl der Männer mit reduzierter Verwendung von Schmerzmitteln. Wir fanden Evidenz von moderater Qualität, dass Bisphosphonate wahrscheinlich die Anzahl der Männer mit Übelkeit erhöhten. Bisphosphonate führten zu sieben mehr Männern mit Übelkeit pro 1000 Männer (0 weniger bis 14 mehr). Wir fanden Evidenz von moderater Qualität, dass Bisphosphonate die Anzahl der Männer mit Nierenproblemen wahrscheinlich erhöhten. In diesem Fall führten Bisphosphonate zu 22 mehr Männern pro 1000 Männern mit renalen Komplikationen (4 mehr bis 50 mehr). Für Knochennekrosen des Kiefers (dabei wird der Kieferknochen schwächer und stirbt ab), fanden wir Evidenz von sehr niedriger Qualität, dass Bisphosphonate keinen deutlichen Unterschied zeigten. Wir fanden Evidenz von moderater Qualität, dass Bisphosphonate wahrscheinlich die Anzahl der Männer, die von einer Krankheitsprogression betroffen waren (die Krankheit verschlimmerte sich), reduzierten. Dies bedeutet, dass Bisphosphonate zu 36 Männer weniger mit Krankheitsprogression pro 1000 Männer (71 weniger bis 7 weniger) führten. Wir fanden keine verwendbaren Daten zur Lebensqualität.

Qualität der Evidenz

Wir beurteilen die Qualität der Evidenz als moderat bis sehr niedrig.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Basierend auf niedriger Qualität der Evidenz kann es sein, dass kein klinisch relevanter Unterschied in der Rate an Männern mit einem Ansprechen der Schmerzintensität zwischen der Gabe von Bisphosphonaten und Kontrolltherapien bei Vorliegen eines ossär metastasierten Prostatakarzinoms besteht. Bisphosphonate senken wahrscheinlich die Rate an skelettalen Ereignissen und einer Krankheitsprogression. Dieser Nutzen muss gegen das erhöhte Risiko für renale Komplikationen sowie Übelkeit bei Männern, die Bisphosphonate bekommen, abgewogen werden. Zukünftige Studien sollten ausdrücklich patientenrelevante Endpunkte, wie Lebensqualität und Schmerz, mittels standardisierten und vergleichbaren Messinstrumenten untersuchen.

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Hintergrund: 

Die Prävalenz und Inzidenz von Schmerzen und skelettalen Komplikationen aufgrund von Knochenmetastasen, wie z. B. pathologische Frakturen, Myelonkompression und Hyperkalzämie, sind hoch und sind wichtige Faktoren im Hinblick auf Morbidität, schlechten Performance Status und eingeschränkte Lebensqualität. Darüber hinaus sind pathologische Frakturen bei Patienten mit disseminierten Tumorerkrankungen mit einem erhöhten Risiko des Versterbens assoziiert. Deshalb sind die Prävention von Schmerz und Frakturen wichtige Ziele bei Prostatakarzinompatienten mit einem Risiko für skelettale Komplikationen.

Zielsetzungen: 

Ziel dieses Reviews ist es, die Wirksamkeit der Applikation von Bisphosphonaten bei Patienten mit ossär metastasiertem Prostatakarzinom zu untersuchen.

Suchstrategie: 

Wir identifizierten Studien durch eine elektronische Suche der bibliographischen Datenbanken Cochrane Controlled Trials Register und MEDLINE am 13. Juli 2017, sowie in Studienregistern. Wir haben eine Handsuche der Kongressberichte der American Society of Clinical Oncology (ASCO) bis Juli 2017 sowie der Referenzlisten aller eingeschlossenen Studien durchgeführt. Dieser systematische Review ist eine Aktualisierung einer Arbeit, die 2006 publiziert wurde.

Auswahlkriterien: 

Wir haben randomisierte, kontrollierte Studien, welche die Wirksamkeit von Bisphosphonaten bei Männern mit ossär metastasiertem Prostatakarzinom untersuchten, eingeschlossen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Reviewautoren extrahierten unabhängig voneinander die Daten und bewerteten die Studienqualität. Wir definierten den Anteil der Patienten mit einem Ansprechen der Schmerzintensität als primären Endpunkt; sekundäre Endpunkte waren skelettale Ereignisse, Mortalität, Lebensqualität, unerwünschte Ereignisse, Analgetikagebrauch sowie Krankheitsprogression. Wir haben die Qualität der Evidenz für die wichtigsten Endpunkte mit dem GRADE-Ansatz bewertet.

Hauptergebnisse: 

Wir haben 18 Studien, die über 4.843 Teilnehmer berichtet und den Effekt der Gabe von Bisphosphonaten gegenüber Kontrolltherapien verglichen haben, in diesen Review eingeschlossen.

Primärer Endpunkt: Es zeigte sich kein klarer Unterschied in der Rate der Patienten mit einem Ansprechen der Schmerzintensität (relatives Risiko (RR) 1,15, 95% Konfidenzintervall (95%KI) 0,93-1,43; p=0,20; I2 =0%; 3 Studien, 876 Teilnehmer; niedrige Qualität der Evidenz). In absoluten Zahlen resultierte die Gabe von Bisphosphonaten in einem Ansprechen der Schmerzintensität von 40 Patienten mehr pro 1.000 (19 weniger bis 114 mehr).

Sekundäre Endpunkte: Bisphosphonate reduzieren wahrscheinlich die Inzidenz von skelettalen Ereignissen bei Patienten mit ossär metastasiertem Prostatakarzinom (RR 0,87, 95% KI 0,81-0,94; p=0,27; I2 =19%; 9 Studien; 3.153 Teilnehmer, moderate Qualität der Evidenz). In absoluten Zahlen resultierte die Gabe von Bisphosphonaten in 58 weniger skelettalen Ereignissen pro 1.000 (85 weniger bis 27 weniger).

Wir haben keine klinisch relevanten Unterschiede bezüglich des Endpunktes Mortalität gefunden (RR 0,97, 95%KI 0,91-1,04; p=0,43, I2 =1%; 9 Studien; 2.450 Teilnehmer; moderate Qualität der Evidenz). In absoluten Zahlen resultierte die Applikation von Bisphosphonaten in 16 Todesfällen weniger pro 1.000 (47 weniger bis 21 mehr).

Die Definition für Lebensqualität sowie die Messinstrumente für diesen Endpunkt zeigten eine große Variabilität zwischen den Studien und wir konnten keine quantitativen Daten für eine Meta-Analyse extrahieren.

Die Gabe von Bisphosphonaten hat die Anzahl der von Übelkeit betroffenen Patienten wahrscheinlich erhöht (RR 1,19, 95%KI 1,00-1,41; p=0,05; I2 =0%; 9 Studien; 3008 Teilnehmer; moderate Qualität der Evidenz). Somit resultierte die Gabe von Bisphosphonaten in Übelkeit bei sieben Patienten mehr pro 1.000 (0 weniger bis 14 mehr). Bisphosphonate erhöhen wahrscheinlich die Anzahl an renalen unerwünschten Ereignissen (RR 1,65, 95%KI 1,11-2,46; p=0,01; I 2 =0%; 7 Studien; 1.794 Teilnehmer; moderate Qualität der Evidenz). Die Gabe von Bisphosphonaten resultierte in 22 renalen unerwünschten Ereignissen pro 1.000 mehr (4 mehr bis 50 mehr). Wir haben keinen eindeutigen Unterschied für die Anzahl von Kieferosteonekrosen zwischen den Gruppen gefunden (RR 1,92, 95%KI 0,75-4,90; p=0,17, I2 =0%; 5 Studien; 1.626 Teilnehmer, sehr niedrige Qualität der Evidenz). In absoluten Zahlen resultierte die Gabe von Bisphosphonaten in sieben Kieferosteonekrosen mehr pro 1.000 (2 weniger bis 29 mehr). Es zeigte sich kein klinisch relevanter Unterschied in der Rate von Patienten, die weniger Analgetika gebrauchten (RR 1,19; 95%KI 0,87-1,63; p=0,28, I2 =37%; 4 Studien, 416 Teilnehmer). Statistische Analysen zeigten, dass Bisphosphonate wahrscheinlich die Anzahl der Teilnehmer mit einer Krankheitsprogression reduzierten (RR 0,94; 95%KI 0,90-0,98; p=0,006; I2 =0%; 7 Studien; 2.115 Teilnehmer; moderate Qualität der Evidenz). Die Gabe von Bisphosphonaten resultierte in 36 Fällen von Krankheitsprogression weniger pro 1.000 (71 weniger bis 7 weniger).

Die Resultate unserer vorweg definierten Subgruppen- und Sensitivitätsanalysen waren nicht anders als die der Primäranalyse.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

PLS: N. Kampik, Abstract: L. M. Krabbe, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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