Präoperative Haarentfernung zur Verringerung von Infektionen im Operationsgebiet

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Im Vergleich zur keiner Haarentfernung gibt es zwischen der Verwendung von Haarschneidemaschinen und einer Enthaarungscreme möglicherweise kaum ein Unterschied im Risiko von SSI (Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit ). Allerdings gibt es wahrscheinlich weniger SSI, wenn die Haare nicht entfernt werden, als wenn sie mit einem Klingenrasierer entfernt werden (Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit ). Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass, wenn eine Haarentfernung erforderlich ist, die Verwendung einer Haarschneidemaschine oder einer Enthaarungscreme im Vergleich zur Rasur mit einem Klingenrasierer wahrscheinlich zu weniger SSI und anderen Komplikationen führt. Möglicherweise ist die Zahl von SSIs geringfügig weniger, wenn die Haare am Operationstag und nicht am Tag davor entfernt werden.

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Hintergrund: 

Traditionell werden die Haare im Bereich eines Operationsgebietes vor der Operation entfernt. Einige Studien sind jedoch zu dem Schluss gekommen, dass dieses Vorgehen die Zahl der postoperativen Wundinfektionen im Operationsgebiet ( Surgical Site Infections, SSI) erhöht und daher vermieden werden sollte. Dies ist die zweite Aktualisierung eines Reviews, der erstmals 2006 veröffentlicht und zuletzt 2011 aktualisiert wurde.

Zielsetzungen: 

Ziel des Reviews war es zu ermitteln, ob die routinemäßige präoperative Haarentfernung (im Vergleich zu keiner Haarentfernung) und die Methode, der Zeitpunkt oder der Handlungsort der Haarentfernung SSI-Raten beeinflussen.

Suchstrategie: 

Für diese zweite Aktualisierung durchsuchten wir Im November 2019 das Cochrane Wounds Specialised Register, das Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL) (Cochrane Library), Ovid MEDLINE (einschließlich In-Process & Other Non-Indexed Citations), Embase via Ovid und CINAHL Plus via EBSCO. Wir durchsuchten außerdem Studienregister nach laufenden und unveröffentlichten Studien sowie die Literaturverzeichnisse von relevanten eingeschlossenen Studien und Reviews, um zusätzliche Studien zu identifizieren. Wir nahmen keine Einschränkungen hinsichtlich des Datums oder der Sprache vor.

Auswahlkriterien: 

Wir schlossen randomisierte kontrollierte Studien (RCTs), oder quasi-randomisierte Studien ein, in denen die folgenden Vergleiche durchgeführt wurden:

· Haarentfernung mit keiner Haarentfernung;
· unterschiedliche Methoden der Haarentfernung; und
· Haarentfernung zu unterschiedlichen Zeitpunkten vor der Operation.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Autoren bewerteten unabhängig voneinander die Relevanz der einzelnen Studien. Die Daten wurden von beiden Autoren unabhängig voneinander extrahiert und gegenseitig überprüft. Wir führten eine Bewertung des Risikos für Bias mit dem Cochrane "Risk of Bias“ Tool durch und bewerteten die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz mit dem GRADE-Ansatz. Es wurden Sensitivitätsanalysen durchgeführt, bei denen Studien mit hohem Risiko für Bias ausgeschlossen wurden.

Hauptergebnisse: 

Wir schlossen 11 neue Studien in diese Aktualisierung ein, sodass der Review insgesamt 19 randomisierte und 6 quasi-randomisierte Studien (8919 Teilnehmende) umfasst.

Schneiden (Clipping) im Vergleich zu keiner Haarentfernung

Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass es möglicherweise kaum einen Unterschied im Risiko für SSI gibt, wenn keine Haarentfernung mit einer Haarentfernung mit einer Haarschneidemaschine verglichen wird (Risikoverhältnis (RR) 0,95, 95 % Konfidenzintervall (KI) 0,65 bis 1,39; drei Studien mit 1733 Teilnehmenden).

Rasieren mit einem Klingenrasierer im Vergleich zu keiner Haarentfernung

Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass das Risiko für SSI bei Teilnehmenden, bei denen eine Haarentfernung mit einem Klingenrasierer durchgeführt wird, wahrscheinlich höher ist als bei Teilnehmenden, bei denen keine Haarentfernung durchgeführt wird (RR 1,82, 95 % KI 1,05 bis 3,14; sieben Studien mit 1706 Teilnehmenden). In Bezug auf das absolute Risiko bedeutet dies 17 SSI pro 1000 mehr in der Klingenrasierer-Gruppe im Vergleich zu der Gruppe ohne Haarentfernung (95% KI 1 mehr bis 45 mehr SSI in der Klingenrasierer-Gruppe).

Basierend auf Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit ist unklar, ob es einen Unterschied in der Häufigkeit von Stichabszessen zwischen einer Haarentfernung mit einem Klingenrasierer und keiner Haarentfernung gibt (1 Studie mit 80 Teilnehmenden; RR 1,00, 95% KI 0,21 bis 4,66).

Basierend auf den narrativen Daten aus einer Studie mit 136 Teilnehmenden gibt es möglicherweise kaum einen Unterschied in der Dauer des Krankenhausaufenthalts zwischen Teilnehmenden, bei denen die Haare mit einem Klingenrasierer entfernt wurde, und solchen, bei denen keine Haarentfernung durchgeführt wurde (Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Basierend auf den narrativen Daten aus einer Studie mit 278 Teilnehmenden ist es ungewiss, ob es einen Kostenunterschied zwischen Teilnehmenden gibt, bei denen die Haare mit einem Klingenrasierer entfernt wurden, und solchen, bei denen keine Haarentfernung durchgeführt wurde (Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Enthaarungscreme im Vergleich zu keiner Haarentfernung

Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass es möglicherweise kaum einen Unterschied im SSI-Risiko zwischen der Verwendung einer Enthaarungscreme und keiner Haarentfernung gibt, obwohl die Konfidenzintervalle um den Punktschätzer weit waren und sowohl einen möglichen Nutzen als auch eine nachteilige Wirkung einschlossen (RR 1,02, 95% KI 0,45 bis 2,31; Evidenz mit niedriger Vertrauenswürdigkeit; 1 Studie mit 267 Teilnehmenden).

Auf Basis der narrativen Daten aus einer Studie mit 267 Teilnehmenden ist es ungewiss, ob es einen Kostenunterschied zwischen Teilnehmenden gibt, bei denen die Haare mit einer Enthaarungscreme entfernt werden, und solchen, bei denen keine Haare entfernt werden (Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Rasieren mit einem Klingenrasierer im Vergleich zu Rasieren mit einer Haarschneidemaschine (Clipping)

Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit aus 7 Studien mit 3723 Teilnehmenden deutet darauf hin, dass das SSI-Risiko bei einer Rasur mit einem Klingenrasierer im Vergleich zum Clipping wahrscheinlich erhöht ist (RR 1,64, 95% KI 1,16 bis 2,33).

Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass das Risiko von Hautverletzungen bei Personen, bei denen die Haare mit einem Klingenrasierer statt mit Clipping entfernt werden, wahrscheinlich erhöht ist (3 Studien mit 1333 Teilnehmenden; RR 1,74, KI 95% 1,12 bis 2,71).

Rasieren mit einem Klingenrasierer im Vergleich zur Verwendung einer Enthaarungscreme

Evidenz von moderater Vertrauenswürdigkeit aus 9 Studien mit 1593 Teilnehmenden deutet darauf hin, dass das SSI-Risiko bei Verwendung von Klingenrasierern im Vergleich zur Verwendung einer Enthaarungscreme wahrscheinlich höher ist (RR 2,28, 95 % KI 1,12 bis 4,65).

Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass das Risiko von Hautverletzungen möglicherweise erhöht ist, wenn zur Haarentfernung ein Klingenrasierer anstatt einer Enthaarungscreme verwendet wird (RR 6,95, KI 95% 3,45 bis 13,98; 5 Studien mit 937 Teilnehmenden).

Auf Basis der narrativen Daten aus drei Studien mit 402 Teilnehmenden ist ungewiss, ob die Verwendung einer Enthaarungscreme teurer ist als Rasieren (Evidenz von sehr niedriger Vertrauenswürdigkeit).

Haarentfernung am Operationstag im Vergleich zu einem Tag vor der Operation

Evidenz von niedriger Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass das SSI-Risiko möglicherweise geringfügig reduziert ist, wenn die Haare am Tag der Operation im Vergleich zum Tag vor der Operation entfernt werden, obwohl die Konfidenzintervalle um den Punktschätzer weit waren und sowohl einen möglichen Nutzen als auch eine nachteilige Wirkung einschlossen (eine Studie, 977 Teilnehmende; RR 0,83, 95 % KI 0,54 bis 1,30).

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Haug, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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