Einfache Verhaltensinterventionen bei Kindern mit nächtlicher Enuresis

Bettnässen (nächtliche Enuresis) ist der ungewollte Urinverlust in der Nacht ohne ursächliche organische Erkrankung. Es kann zu Problemen der psychosozialen Gesundheit führen, wie etwa sozialen Problemen, Hänseleien unter Geschwistern und geringerem Selbstwertgefühl. Bettnässen betrifft etwa 15% bis 20% der Fünfjährigen und bis zu 2% der Erwachsenen.

Einfache Verhaltensmaßnahmen, wie Sternchen-Karten oder andere Belohnungssysteme, reduzierte Flüssigkeitszufuhr, Blasentraining (inklusive geübten Zurückhaltens des Urins) sowie auf die Toilette tragen oder Aufwecken, können Kindern bei der Blasenkontrolle helfen. Dies sind häufig die ersten Versuche, das Bettnässen in den Griff zu bekommen, und können von den Familien selbst mit relativ wenig professioneller Hilfe durchgeführt werden.

Der Review beinhaltet 16 Studien mit 1643 Kindern. Die meisten einfachen Verhaltensmaßnahmen wurden nur in einzelnen, kleinen Studien getestet, was jedoch die Zuverlässigkeit der Evidenz vermindert. Einfache Maßnahmen, wie das Belohnen von trockenen Nächten (z.B. mit Sternchen-Karten), auf die Toilette tragen/Aufwecken und Blasentraining schienen wirksamer zu sein als keine Maßnahmen; jedoch sind sie weniger wirksam als andere, als wirksam bekannte Maßnahmen, wie z.B. die Alarmtherapie bei Enuresis oder eine medikamentöse Behandlung. Es scheint keinen Hinweis darauf zu geben, dass eine der einfachen Verhaltenstherapien wirksamer als eine andere ist. Andererseits sind einfache Therapien mit keinerlei Nebenwirkungen oder Sicherheitsbedenken verbunden. Deshalb können einfache Methoden als erste Therapie ausprobiert werden, bevor man für dieses häufige Problem im Kindesalter ein Alarmsystem oder Medikamente in Betracht zieht.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Einfache Verhaltensmaßnahmen können dem Verzicht auf eine aktive Behandlung überlegen sein, scheinen jedoch der Alarmtherapie bei Enuresis wie auch einigen medikamentösen Therapien (wie Imipramin und Amitriptylin) unterlegen zu sein. Obwohl die Evidenz zu ihrer Wirksamkeit gering ist, können einfache Verhaltenstherapien als Ersttherapie ausprobiert werden, bevor eine Alarmtherapie bei Enuresis oder medikamentöse Therapie in Betracht gezogen wird, welche möglicherweise herausfordernder sind und auch unerwünschte Wirkungen haben können.

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Hintergrund: 

Nächtliche Enuresis (Bettnässen) ist ein sozial beeinträchtigendes und belastendes Leiden, das etwa 15% bis 20% der Fünfjährigen und bis zu 2% der Erwachsenen betrifft. Obwohl es bei einer großen Anzahl der Betroffenen zu einer spontanen Ausheilung kommt, können die sozialen, emotionalen und psychologischen Probleme beträchtlich sein. Verhaltensinterventionen zur Behandlung des Bettnässens sind definiert als Interventionen, die ein Verhalten oder eine Handlung des Kindes erfordern, welches die Trockenheit in der Nacht fördert, und Strategien beinhalten, die diese Verhaltensweisen belohnen. Verhaltensinterventionen sind weiter aufgegliedert in:

(a) einfache Verhaltensinterventionen - Verhaltensweisen oder Handlungen, die von einem Kind ohne große Anstrengung erreicht werden können; und

(b) komplexe Verhaltensinterventionen - umfassende Verhaltensinterventionen, die nur durch eine größere Anstrengung von Kind und Eltern erreicht werden können, z.B. Alarmtherapie bei Enuresis.

Dieser Review ´fokussiert auf einfache Verhaltensinterventionen.

Einfache Verhaltensinterventionen sind häufig ein erster Versuch, um nächtliche Enuresis zu verbessern, und beinhalten Belohnungssysteme wie Sternchen für trockene Nächte, die Kinder in der Nacht auf die Toilette zu tragen oder zu wecken, geübtes Zurückhalten des Urins zur Erhöhung der Blasenkapazität (Blasentraining) und reduzierte Flüssigkeitszufuhr. Andere Behandlungen, wie etwa Medikamente, komplementäre und sonstige Maßnahmen, wie z.B. Akupunktur, komplexe Verhaltensinterventionen und die Alarmtherapie bei Enuresis, werden an anderer Stelle besprochen.

Zielsetzungen: 

Zur Evaluierung der Wirkung von einfachen Verhaltensinterventionen bei Kindern mit nächtlicher Enuresis.

Folgende Vergleiche wurden angestellt:
1. Einfache Verhaltensinterventionen versus keine aktive Behandlung;
2. Jede einzelne einfache Verhaltensintervention versus eine andere Verhaltensintervention (eine andere einfache Verhaltensintervention, Alarmtherapie bei Enuresis oder eine komplexe Verhaltensintervention);
3. Einfache Verhaltensintervention versus alleinige medikamentöse Behandlung (inklusive Placebo) oder medikamentöse Behandlung in Kombination mit anderen Interventionen.

Suchstrategie: 

Es wurde das Cochrane Incontinence Group Specialised Trials Register durchsucht, welches die Studien enthält, die aus dem Cochrane Central Register of Controlled Trials (CENTRAL), aus MEDLINE sowie MEDLINE in process identifiziert wurden, sowie eine Handsuche in Zeitschriften und Konferenzschriften durchgeführt (gesucht am 15. Dezember 2011). Ebenso wurden die Referenzlisten relevanter Publikationen durchsucht.

Auswahlkriterien: 

Alle randomisierten und quasi-randomisierten Studien über einfache Verhaltensinterventionen zur Behandlung nächtlicher Enuresis bei Kindern bis zum 16. Lebensjahr. Studien, die kindliche Urininkontinenz tagsüber oder Kinder mit organischen Ursachen untersuchten, wurden ebenso eingeschlossen, sofern der Fokus der Studie auf der nächtlichen Enuresis lag. Studien, die ausschließlich auf das Einnässen tagsüber fokussierten, und Studien über Erwachsene mit nächtlicher Enuresis wurden ausgeschlossen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren beurteilten unabhängig voneinander die Qualität der einzuschließenden Studien und extrahierten Daten. Differenzen zwischen den beiden Review-Autoren wurden durch Diskussion mit einem dritten Review-Autor bereinigt.

Hauptergebnisse: 

Sechzehn Studien mit 1643 Kindern, von denen 865 eine einfache Verhaltensintervention erhielten, erfüllten die Einschlusskriterien. Innerhalb jedes Vergleichs wurden die Endpunkte zumeist durch einzelne Studien adressiert, wodurch eine Metaanalyse nicht durchführbar war. Die einzige Ausnahme war der Vergleich Blasentraining versus Alarmtherapie bei Enuresis, für den zwei Studien eingeschlossen wurden und gezeigt werden konnte, dass die Alarmtherapie bei Enuresis dem Blasentraining überlegen war.

In kleinen, einzelnen Studien waren Belohnungen, auf die Toilette tragen, Aufwecken und Blasentraining jeweils assoziiert mit signifikant weniger nassen Nächten, einer höheren Ansprechquote und weniger Rückfällen im Vergleich zu den Kontrollgruppen. Einfache Verhaltensinterventionen schienen im Vergleich zu anderen bekannten wirksamen Maßnahmen (wie Alarmtherapie bei Enuresis und medikamentöse Therapien mit Imipramin und Amitriptylin) weniger wirksam zu sein. Jedoch zeigte sich bei der Nachbeobachtung, dass die Wirkung nach Beendigung der medikamentösen Therapie nicht anhaltend war. Auf der Basis einer kleinen Studie erschien eine kognitive Therapie ebenfalls wirksamer als Belohnungssysteme. Einzelvergleiche zwischen den einfachen Verhaltenstherapien zeigten keine erkennbaren Unterschiede zwischen den Therapien hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

D. Schoberer, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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