Harnableitung und Blasenrekonstruktion/ -ersatz durch Darmsegmente für die therapierefraktäre Harninkontinenz nach einer Blasenoperation

Die normale Harnblase ist ein muskuläres Hohlorgan, das tief im Becken liegt. Es funktioniert durch die ausgewogene Aktivität vieler miteinander verbundenen Nerven und Muskeln, die je nach Bedarf den Urin aufhalten oder ablassen. Wenn die Blase durch Erkrankung geschädigt worden ist, kann eine Operation durchgeführt werden, um den Urin aus der Blase (Harnableitung) umzuleiten, um die Blase zu rekonstruieren oder um die Blase mit Darmsegmenten zu ersetzen. Dieser Review konnte nicht genügend Evidenz aus Studien darüber finden, welche chirurgische Option sind die wirksamste ist. Eine kleine Studie legt nahe, dass ein Ileum Darmsegment (Dünndarm) besser geeignet sein könnte, als ein ileokolonisches Darmsegment (Kombination von Dünn- und Dickdarm) zur Verbesserung von nächtlicher Inkontinenz. Mehr Forschung ist notwendig, um die wirksamsten chirurgischen Methoden zur Harnableitung, Rekonstruktion oder Ersatz der Harnblase, die durch Krankheit beschädigt wurde, zu bestimmen.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Evidenz aus den eingeschlossenen Studien ist stark limitiert. Insgesamt erfüllten nur fünf Studien die Einschlusskriterien; diese beinhalten eine geringe Patientenanzahl, waren von moderater bis niedriger methodischer Qualität und untersuchten nur wenige der vordefinierten Endpunkte. Dieser Review konnte keine Evidenz finden, die einen Vorteil orthotoper oder kontinenter Harnableitung im Vergleich zur Anlage eines Konduits nach Zystektomie bei Urothelkarzinom aufzeigt. Ebenfalls gibt es keine Evidenz für einen Vorteil für Blasenrekonstruktion versus Konduit bei benignen Veränderungen. Die klinische Signifikanz der Daten einer kleinen Studie, die einen Vorteil ilealer Ersatzblasen im Vergleich zu Blasenersatz mittels ileokolischer Segmente bezogen auf geringere nächtliche Harninkontinenz nahe legt, ist ungewiss. Die geringe Menge der vorliegenden Daten bestätigt die Notwendigkeit der Durchführung von Multicenter-Studien, die, wenn möglich, eine randomisierte Zuordnung zu einem Harnableitungsverfahren beinhalten sollten.

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Hintergrund: 

Operationen zur Verbesserung der Funktion oder zum Ersatz der Harnblase mittels Einsatz von Darmsegmenten werden seit mehr als einem Jahrhundert durchgeführt. Hauptgründe chirurgischer Interventionen sind Blasenkarzinome, neurogene Blasenfunktionsstörungen, Detrusorhyperaktivität sowie chronisch-entzündliche Blasenerkrankungen (wie interstitielle Zystitis, Tuberkulose und Bilharziose). Es gibt noch Unklarheit über die beste chirurgische Methode. Als Optionen stehen bislang folgende Verfahren zur Verfügung: (1) inkontinente (Ureterokutaneostomie/ Transureteroureterokutaneostomie, Ileumkonduit) und kontinente Harnableitungsformen (Rektosigmoidpouch, kontinente kutane Pouchvariationen) (2) Harnblasenrekonstruktion und (3) Harnblasenersatz mittels verschiedener Darmsegmente.

Zielsetzungen: 

Festlegung der besten operativen Technik zur Verbesserung der Funktion oder zum Ersatz des unteren Harntraktes nach Zystektomie bei benignen und malignen Blasenerkrankungen mittels Einsatz von Darmsegmenten.

Suchstrategie: 

Eine Suche im Studienregister der Cochrane Incontinence Group wurde am 28. Oktober 2011 durchgeführt; diese enthält Studien des Cochrane Cemtral Register of Controlled Trials (CENTRAL), MEDLINE und CINAHL. Zudem erfolgte eine Handsuche in Fachzeitschriften, Kongressbeiträgen und Quellangaben relevanter Fachartikel.

Auswahlkriterien: 

Alle randomisierten oder quasi-randomisierten kontrollierten Studien zum Einsatz von Darmsegmenten in den unteren Harntrakt wurden eingeschlossen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Die Studien wurden durch die Autoren nach Erfüllung der Einschlusskriterien und dem Risiko für Bias beurteilt. Drei Autoren waren an der Datenextraktion beteiligt. Daten wurden, sofern angemessen, in eine Meta-Analyse inkludiert.

Hauptergebnisse: 

Fünf Studien mit insgesamt 355 Teilnehmern erfüllten die Einschlusskriterien. Diese Studien umfassten lediglich 5 der 14 im Protokoll vorab festgelegten Vergleiche. Eine Studie zeigte keine statistisch signifikanten Unterschiede in der Inzidenz von Pyelonephritiden, Implantationsstenosen und Verschlechterung der Nierenfunktion zwischen kontinenter Harnableitung und Konduit-Anlage. Die Konfidenzintervalle waren breit und schlossen wichtige, klinische Unterschiede nicht aus. Eine zweite Studie berichtete, dass es keine Unterschiede in der Inzidenz von Pyelonephritiden und Implantationsstenosen bei Kolon- und Ileum-Konduits gibt. Eine Meta-Analyse zweier Studien erbrachte keine statistisch signifikanten Unterschiede hinsichtlich diurner oder nocturner Harninkontinenz zwischen Harnblasenersatz mittels ileokolischer/ileozökaler und ilealer Darmsegmente. Eine kleine Studie deutet auf einen Vorteil ilealer Ersatzblasen bezüglich nächtlicher Harninkontinenz im Vergleich zu Harnblasenersatz mittels ileokolischer Segmente hin. Es konnte kein Unterschied in Hinblick auf die Inzidenz oberer Harntraktdilatationen, diurner Harninkontinenz oder Wundinfektionen zwischen verschiedenen Darmabschnitten zum Blasenersatz festgestellt werden. Die Ergebnisse wurden jedoch für ‘renale Einheiten‘ beschrieben, ohne dabei deren Abhängigkeit in einem Patienten bei der Analyse zu berücksichtigen oder eine nachträgliche gepaarte Analyse zu ermöglichen. Es wurde kein statistisch signifikanter Unterschied in der Inzidenz renaler Narbenbildung zwischen refluxiver versus anti-refluxiver Harnleitereinpflanzung von Ersatzblasen und Konduits festgestellt. Anzumerken ist, dass die Daten für die Endpunkte nicht als Ergebnis eines paarweisen Vergleichs berichtet wurden oder auf eine Art, die paarweise Vergleiche ermöglicht.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Jennifer Kranz und Stefanie Schmidt. Koordination durch Cochrane Schweiz

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