Gebärpositionen für Frauen ohne Epiduralanästhesie

Worum geht es?

Frauen gebären häufig in aufrechten Positionen, etwa im Knien, im Stehen oder in der Hocke. Manche Frauen befinden sich während der Geburt auch in liegenden Positionen; dazu gehören die Rückenlage, die Seitenlage, die halb sitzende Position und die Steinschnittlage (dabei werden die Beine der Frau in Beinhaltern hochgelagert). Die Geburtsposition kann durch viele verschiedene Faktoren beeinflusst werden, unter anderem durch Umgebungsfaktoren, Entscheidungen der Mutter, Vorlieben der Betreuungspersonen oder medizinische Interventionen. Für diesen Cochrane-Review beurteilten wir die möglichen Nutzen und Risiken für Mutter und Kind bei einer aufrechten Geburtsposition im Vergleich mit liegenden Positionen und untersuchten auch einige aufrechte Positionen einzeln auf Nutzen und Schäden.

Warum ist das wichtig?

Das Gebären in einer liegenden Position wurde möglicherweise eingeführt, um den Hebammen und Geburtshelfern die Unterstützung in der Wehenphase und bei der Geburt zu erleichtern. Viele Frauen berichten jedoch, dass das Gebären in Rückenlage schmerzhaft, unbequem und schwierig sei. Es wird behauptet, dass Frauen in aufrechten Positionen leichter gebären, weil das Becken sich weiten kann, während sich der Säugling nach unten schiebt; auch die Schwerkraft kann auf diese Weise unterstützend wirken und der Säugling kann davon profitieren, weil das Gewicht der Gebärmutter nicht auf die großen Blutgefäße der Mutter drückt, die das Kind mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen.

Wir untersuchten die aufrechten Positionen wie Sitzen (auf einem Gebärhocker oder Gebärstuhl), Knien (im Vierfüßlerstand oder mit aufrechtem Oberkörper) und Hocken (ohne Unterstützung oder mit Geburtskissen oder Haltestange). Wir verglichen sie mit liegenden Positionen wie Rückenlage, Seitenlage, halb sitzender Position und Steinschnittlage. Wir wollten damit Alltagswirksamkeit, Nutzen und mögliche Nachteile der verschiedenen Positionen für Frauen ohne Epiduralanästhesie in der Austreibungsphase beurteilen.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Wir suchten bis zum 30. November 2016 nach Evidenz. Dieser Review enthält aktuell Daten aus 30 randomisierten kontrollierten Studien mit 9015 schwangeren Frauen, die ihr Kind ohne Epiduralanästhesie zur Welt brachten.

Insgesamt war die Evidenz nicht von guter Qualität. Wenn Frauen sich bei der Geburt in aufrechter Position befanden, verringerte sich die Dauer der Presswehen (Austreibungsphase) im Vergleich zur Rückenlage um etwa sechs Minuten (19 Studien, 5811 Frauen; Evidenz von sehr niedriger Qualität). Weniger Frauen erlebten eine sogenannte assistierte Geburt, beispielsweise mit der Geburtszange (21 Studien, 6481 Frauen; Evidenz von moderater Qualität). Die Anzahl der Frauen, bei denen ein Kaiserschnitt durchgeführt wurde, unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen (16 Studien, 5439 Frauen; Evidenz von niedriger Qualität). Bei weniger Frauen in aufrechter Geburtsposition wurde eine Epistomie (Dammschnitt zur Vergrößerung der Durchtrittsöffnung für das Baby) vorgenommen, allerdings erlitten tendenziell mehr Frauen einen Dammriss (Evidenz von niedriger Qualität). Es gab keinen Unterschied zwischen aufrechter und liegender Geburtsposition, was die Anzahl der Frauen mit schweren Dammrissen betraf (6 Studien, 1840 Frauen; Evidenz von sehr niedriger Qualität). Unter den Frauen in aufrechter Geburtsposition bestand eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen Blutverlust von 500 ml und mehr (15 Studien, 5615 Frauen; Evidenz von moderater Qualität). Dies könnte jedoch auch damit zusammenhängen, dass in dieser Gruppe der Blutverlust genauer gemessen werden konnte. Weniger Neugeborene hatten Probleme mit schnellen oder unregelmäßigen Herzschlägen, die auf Stress hindeuten (2 Studien, 617 Frauen), wenn die Frauen sie in aufrechter Position zur Welt brachten. Allerdings gab es keinen Unterschied in der Anzahl der Einweisungen auf die Neugeborenenstation (4 Studien, 2565 Säuglinge; Evidenz von niedriger Qualität).

Was bedeutet das?

Wir fanden in diesem Review heraus, dass es Frauen einen Nutzen bringen könnte, eine aufrechte Geburtsposition zu wählen. Die Dauer der Presswehen könnte verringert sein. Diese Wirkung war allerdings sehr gering und diese Frauen könnten mehr Blut verlieren. Die Ergebnisse sollten mit Vorsicht interpretiert werden, da die Studien teilweise schlecht durchgeführt wurden, sich voneinander unterschieden und die Ergebnisse unterschiedlich analysiert wurden.

Weitere Untersuchungen zu Nutzen und Risiken verschiedener Geburtspositionen würden uns dabei helfen, mit größerer Sicherheit bestimmen zu können, welche Geburtsposition für die meisten Frauen und ihre Säuglinge am besten ist. Allgemein sollten Frauen dazu ermuntert werden, bei der Geburt eine Position einzunehmen, in der sie sich wohlfühlen.

Schlussfolgerungen der Autoren: 

Die Ergebnisse dieses Reviews deuten auf verschiedene mögliche Nutzen aufrechter Positionen bei Frauen ohne Epiduralanästhesie hin, wie eine sehr kleine Verringerung der Dauer der Austreibungsphase (vor allem in der Gruppe der Erstgebärenden), eine Verringerung der Episiotomierate und der instrumentell-assistierten Geburt. Es gibt jedoch ein erhöhtes Risiko für Blutverlust über 500ml und es könnte ein erhöhtes Risiko für Dammrisse zweiten Grades bestehen, obwohl wir dazu nicht sicher sein können. Im Hinblick auf verschiedene Risiken für Bias in den verwendeten Studien sind weitere Studien mit gut konzipierten Studienprotokollen nötig, um den wahren Nutzen und die Risiken verschiedener Gebärpositionen bestimmen zu können.

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Hintergrund: 

Seit Jahrhunderten gibt es kontroverse Ansichten, ob aufrechte Haltungen (Sitzen, Gebärstühle, Gebärhocker, hockend, kniend) oder liegende Positionen (linke Seitenlagerung, halb sitzend, Steinschnittlage, Trendelenburg Lagerung ) Vorteile für Gebärende haben. Dies ist eine Aktualisierung eines zuvor 2012, 2004 und 1999 veröffentlichten Reviews.

Zielsetzungen: 

To determine the possible benefits and risks of the use of different birth positions during the second stage of labour without epidural anaesthesia, on maternal, fetal, neonatal and caregiver outcomes.

Suchstrategie: 

Wir suchten im Cochrane Pregnancy and Childbirth's Trials Register (30. November 2016) und in Referenzlisten der gefundenen Studien.

Auswahlkriterien: 

Randomisierte, quasi-randomisierte und cluster-randomisierte kontrollierte Studien über jegliche aufrechte Haltung, die von schwangeren Frauen während der Austreibungsphase eingenommen wurden, verglichen mit Rücken- oder Steinschnittlage. Sekundäre Vergleiche schlossen verschiedene aufrechte Positionen versus Rückenlage ein. Studien, die als Abstracts berichtet wurden, wurden mit aufgenommen.

Datensammlung und ‐analyse: 

Zwei Review-Autoren untersuchten unabhängig voneinander die Einschlussfähigkeit der Studien und beurteilten die Studienqualität. Mindestens zwei Review-Autoren extrahierten die Daten. Die Daten wurden auf Fehlerfreiheit geprüft. Die Qualität der Evidenz wurde mit Hilfe des GRADE Ansatzes beurteilt.

Hauptergebnisse: 

Aufgrund des unterschiedlichen Risikos für Bias der eingeschlossenen Studien sollten die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden. Wir schlossen elf neue Studien für diese Aktualisierung ein; insgesamt sind nun 32 Studien eingeschlossen und eine Studie ist noch nicht beendet. Dreißig Studien mit 9.015 Frauen trugen zu der Untersuchung bei. Die Vergleiche umfassten jegliche aufrechte Gebärpositionen, Gebärhocker, Gebärkissen und Geburtsstuhl versus Rückenlage.

Die aufrechte Gebärhaltung, verglichen mit der Position in Rückenlage, zeigte für alle eingeschlossenen Frauen (Erst- und Mehrgebärende) eine Verkürzung der Austreibungsphase (MD -6,16 Minuten, 95% KI -9,74 bis -2,59 Minuten; 19 Studien; 5.811 Frauen; P = 0,0007; Random Effects Modell; I² = 91%; sehr niedrige Qualität der Evidenz). Dieses Ergebnis sollte jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da zwischen den einzelnen Studien große Unterschiede in der Größe und der Richtung des Effekts bestanden. Aufrechte Gebärpositionen zeigten keine klaren Unterschiede hinsichtlich Kaiserschnittraten (RR 1,22, 95% KI 0,81 bis 1,81; 16 Studien; 5.439 Frauen; niedrige Qualität der Evidenz), einer Reduzierung assistierter Entbindungen (RR 0,75, 95% KI 0,66 bis 0,86; 21 Studien; 6.481 Frauen; moderate Qualität der Evidenz), einer Reduzierung von Dammschnitten (mittleres RR 0,75, 95% KI 0,61 bis 0,92; 17 Studien; 6.148 Frauen; Random Effects Modell; I² = 88%), einer möglichen Steigerung von Dammrissen zweiten Grades (RR 1,20, 95% KI 1,00 bis 1,44; 18 Studien; 6.715 Frauen; I² = 43%; niedrige Qualität der Evidenz) und keinen klaren Unterschied in der Anzahl der Dammrisse dritten und vierten Grades (RR 0,72, 95% KI 0,32 bis 1,65; 6 Studien; 1.840 Frauen; sehr niedrige Qualität der Evidenz), einen erhöhten Blutverlust von mehr als 500 ml (RR 1,48, 95% KI 1,10 bis 1,98; 15 Studien; 5.615 Frauen; I² = 33%; moderate Qualität der Evidenz), weniger pathologische fetale Herzfrequenzmuster (RR 0,46, 95% KI 0,22 bis 0,93; 2 Studien; 617 Frauen); keinen klaren Unterschied gab es in der Anzahl der Neugeborenen, die in eine neonatale Intensivpflegeeinrichtung verlegt wurden (RR 0,79, 95% KI 0.51 bis 1,21; 4 Studien; 2.565 Neugeborene; niedrige Qualität der Evidenz). Bei der Sensitivitätsanalyse, die Studien mit hohem Risiko für Bias ausschloss, veränderten sich die Ergebnisse nicht, außer dass bei der Dauer der Austreibungsphase kein klarer Unterschied mehr vorhanden war (MD -4,34, 95% KI -9,00 bis 0,32; 21 Studien; 2499 Frauen; I² = 85%).

Die Herabstufung bei der GRADE Beurteilung beruhte hauptsächlich auf den Einschränkungen im Studiendesign (Mängel in der Randomisierung und verdeckten Zuteilung) sowie starke Heterogenität und weiten Konfidenzintervallen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

Übersetzung PLS: S. Schmidt-Wussow, Übersetzung Abstract: G. Krüger, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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