Oxytocin zur Vorbeugung von übermäßigem Blutverlust bei Frauen in der dritten Nachgeburtsperiode

Worum geht es?

Aktives Management der dritten Nachgeburtsperiode (Active management of the third stage of labour, AMTSL) verringert nachweislich das Risiko eines übermäßigen Blutverlustes nach der Geburt. AMTSL umfasst die Verabreichung eines Medikaments zur Erhöhung des Uterustonus und der Kontraktionen sowie ein frühzeitiges Abklemmen der Nabelschnur und einen sanften Zug an der Nabelschnur, um die Entwicklung der Plazenta zu erleichtern. AMTSL ist in vielen Ländern und Einrichtungen gängige Praxis, die Ausführung der einzelnen Komponenten wird dabei unterschiedlich gehandhabt. Oxytocin ist ein uterotonisches Medikament, welches den Tonus der Gebärmutter und die Wehentätigkeit fördert. Es wird üblicherweise unmittelbar nach der Entbindung der Schulter des Kindes im Rahmen der AMTSL verabreicht. In diesem Review werden die Wirksamkeit und Sicherheit von vorbeugend (prophylaktisch) verabreichtem Oxytocin in der dritten Phase der Wehen (= Nachgeburtsperiode) im Vergleich zu keinem Uterotonikum, einem Placebo, Mutterkornalkaloiden und in Kombination mit Ergometrin im Vergleich zu Mutterkornalkaloiden untersucht.

Warum ist das wichtig?

Die postpartale Blutung ist weltweit eine der häufigsten Ursachen für Morbidität und Mortalität bei Müttern. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, die wirksamsten Präventionsstrategien zu ermitteln.

Welche Evidenz haben wir gefunden?

Wir suchten im März 2019 nach Evidenz und identifizierten sechs Studien, welche die Einschlusskriterien in diesen Review erfüllten. Ergebnisse von weiteren 1100 Frauen aus diesen sechs Studien wurden mit denen aus der vorherigen Version dieses Reviews kombiniert, so dass insgesamt Ergebnisse von 10.018 Frauen (23 Studien) beurteilt wurden. Zwei zuvor eingeschlossene Studien wurden aufgrund methodischer Bedenken wieder aus dem aktuellen Review ausgeschlossen.
Bei der Mehrzahl der Studien, die Informationen zu diesem Review beisteuerten, wurde ein hohes Risiko für Bias festgestellt. Die Qualität der Evidenz reichte von sehr niedrig bis moderat und wurde für die meisten Ergebnisse als niedrig bis sehr niedrig eingestuft.

Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Gabe von Oxytocin im Vergleich zu keinem Uterotonikum oder Placebo das Risiko für Blutverlust (Qualität der Evidenz: niedrig) und den Bedarf an zusätzlichen Uterotonika (Qualität der Evidenz: moderat) möglicherweise verringern kann. Die Wirkung von Oxytocin im Vergleich zu Mutterkornalkaloiden ist unsicher in Bezug auf den Blutverlust (Qualität der Evidenz: sehr niedrig), die Notwendigkeit zusätzlicher Uterotonika (Qualität der Evidenz: sehr niedrig) und die Notwendigkeit einer Bluttransfusion (Qualität der Evidenz: sehr niedrig). Möglicherweise erhöht sich dadurch auch das Risiko für eine länger als 30 Minuten andauernde Nachgeburtsperiode (Qualität der Evidenz: moderat). Ob dies mit einem erhöhten Risiko für eine manuelle Plazenta-Entfernung einhergeht, ist unsicher (Qualität der Evidenz: sehr niedrig). Dieses potenzielle Risiko einer Plazentaretention muss gegen ein möglicherweise erhöhtes Risiko von Nebenwirkungen mit Mutterkornalkaloiden abgewogen werden, einschließlich diastolischer Hypertonie (Qualität der Evidenz: niedrig), Erbrechen (Qualität der Evidenz: sehr niedrig) und Kopfschmerzen (Qualität der Evidenz: sehr niedrig). Wird Oxytocin kombiniert mit Ergometrin verabreicht, könnte sich das Risiko für Blutverlust im Vergleich zu Mutterkornalkaloiden leicht verringern (Qualität der Evidenz: niedrig). Es besteht jedoch nur eine niedrige Vertrauenswürdigkeit in diese Schlussfolgerung, da die einbezogenen Studien von mangelnder Qualität waren.

Was bedeutet das?

Oxytocin kann möglicherweise den Blutverlust und den Bedarf an zusätzlichen Uterotonika verringern, wenn es prophylaktisch in der Nachgeburtsperiode verabreicht wird, und könnte daher als Bestandteil der AMTSL in Betracht gezogen werden. Das Nebenwirkungsprofil ist möglicherweise günstiger als bei Mutterkornalkaloiden, was gegen ein mögliches erhöhtes Risiko einer länger als 30 Minuten andauernden Nachgeburtsperiode und gegen den unklaren Nutzen von Oxytocin oder Mutterkornalkaloiden in Bezug auf Blutverlust abgewogen werden muss.

Zur Verbesserung der Datenqualität bei dem Vergleich von Oxytocin und Mutterkornalkaloide, werden mehr Placebo-kontrollierte, randomisierte, doppelblinde Studien benötigt. Künftige Studien sollten darauf abzielen, wichtige Ergebnisse wie Müttersterblichkeit, Schock, Verlegung auf die Intensivstation, schwerwiegende Nebenwirkungen und andere patientenorientierte Ergebnisse zu berücksichtigen. Ein großer, komplexer Review, der alle verfügbaren Daten zu verschiedenen uterotonischen Medikamenten analysiert (Netzwerk-Metaanalyse) wäre hilfreich, um zukünftig die bestmögliche Entscheidung für ein Uterotonikum, in optimaler Dosis und Verabreichungsform, zu treffen.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

S. Laquai, freigegeben durch Cochrane Deutschland.

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