Kann eine innerhalb der ersten Lebensstunde angewandte Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) Krankheit und Tod bei Frühgeborenen verhindern?

Kernbotschaften

Bei Frühgeborenen, die innerhalb der ersten Lebensstunde eine Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) erhalten, ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass sie an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden müssen. Bei der Atemunterstützung mit CPAP wird dem Baby im Unterschied zur alleinigen Verabreichung von Sauerstoff Luft mit konstantem Druck in die Nase geführt, während das Baby selbständig atmet. Bei der Beatmung mit einem Beatmungsgerät wird ein Schlauch in die Lunge des Babys eingeführt und das Gerät übernimmt die Atmung für das Baby.

Eine Atemunterstützung mit CPAP während der ersten Stunde nach der Geburt führt im Vergleich zur Beatmung mit einem Beatmungsgerät wahrscheinlich zu weniger Lungenschäden, weniger Todesfällen und einer geringeren Notwendigkeit, Babys an ein Beatmungsgerät anschließen zu müssen.

Lediglich eine kleine Studie untersuchte die Wirkung des Zeitpunkts der Verabreichung einer Atemunterstützung mit CPAP nach der Geburt (bis zu 15 Minuten verglichen mit bis zu einer Stunde), sodass nicht genügend Evidenz für eine Beurteilung des Zeitpunkts verfügbar war.

Was ist kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck?

Eine Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP) hilft Menschen mit Schwierigkeiten beim Atmen, indem Luft mit konstantem Druck durch die Nase in die Lunge geführt wird. Die Luftzufuhr erfolgt über Maske, die über der Nase sitzt und die Nasenlöcher bedeckt, oder ober Nasenstöpsel (sogenannte nasale Prongs), die in den Nasenlöchern sitzen. Die Atemunterstützung mit CPAP ist weniger invasiv als eine Beatmung mit einem Beatmungsgerät, bei der ein Schlauch durch den Hals in die Lunge eingeführt wird und eine Maschine (ein Beatmungsgerät) für den Patienten "atmet". Die Atemunterstützung mit CPAP bietet eine stärkere Atemunterstützung als die alleinige Verabreichung von Sauerstoff.

Wie hilft CPAP Frühgeborenen?

Frühgeborene sind Babys, die vor der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden. Sie können Schwierigkeiten beim Atmen haben, weil ihre Lungen noch nicht voll entwickelt sind. Dies wird als "Atemnotsyndrom" (respiratory distress syndrome, RDS) bezeichnet. Frühgeborene mit einem leichteren Atemnotsyndrom können mit Wärme, Flüssigkeit, Kalorien und Sauerstoff behandelt werden. Säuglinge mit einem schweren Atemnotsyndrom werden mit einer Atemunterstützung mit CPAP oder einem Beatmungsgerät behandelt. Bei der Atemunterstützung mit CPAP atmen die Babys selbstständig, jedoch hält der durch den positiven Atemwegsdruck erzeugte Luftstrom die Atemwege des Babys zwischen den Atemzügen offen. Babys, die mit CPAP unterstützt werden, müssen nicht an Beatmungsgeräte angeschlossen werden, die zu Lungenschäden wie einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD; einer chronischen Lungenerkrankung) führen können.

Eine Atemunterstützung mit CPAP kann innerhalb der ersten 15 Minuten nach der Geburt (präventive Atemunterstützung mit CPAP) oder bis zu einer Stunde nach der Geburt zur Behandlung verabreicht werden, wenn Babys frühe Anzeichen für ein RDS zeigen (sehr frühzeitige Atemunterstützung mit CPAP).

Was wollten wir herausfinden?

Wir wollten wissen, ob eine präventive Atemunterstützung mit CPAP und eine sehr frühzeitige Atemunterstützung mit CPAP wirksam sind, um die Entwicklung eines RDS bei Frühgeborenen zu verhindern. Wir waren interessiert daran:

- wie viele Babys eine bronchiopulmonale Dysplasie entwickelten;
- ob die Atemunterstützung mit CPAP die Atmung der Babys erfolgreich unterstützte oder ob die Babys an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden mussten;
- wie viele Babys starben; und
- wie hoch die Gesamtzahl der Säuglinge war, die starben oder eine bronchiopulmonale Dysplasie entwickelten.

Wie gingen wir vor?
Wir suchten nach Studien, in denen eine Atemunterstützung mit CPAP bei Frühgeborenen mit oder ohne Anzeichen für ein Atemnotsyndrom 15 Minuten nach der Geburt und bei Frühgeborenen mit frühen Anzeichen für ein Atemnotsyndrom bis zu einer Stunde nach der Geburt untersucht wurde. In den Studien konnte folgendes untersucht werden:

- eine Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zur unterstützenden Versorgung einschließlich der Verabreichung von zusätzlichem Sauerstoff;
- eine Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zum Anschluss an ein Beatmungsgerät; und
- eine präventive Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zu einer sehr frühzeitigen Atemunterstützung mit CPAP.

Was fanden wir?

Wir fanden acht Studien mit insgesamt 3201 Babys im Alter von 24 bis 32 Schwangerschaftswochen:

- in vier Studien mit 765 Säuglingen wurde eine Atemunterstützung mit CPAP mit einer unterstützenden Versorgung verglichen;
- in drei Studien mit 2364 Säuglingen wurde eine Atemunterstützung mit CPAP mit einer maschinellen Beatmung verglichen; und
- in einer Studie mit 72 Säuglingen wurde eine präventive mit einer sehr frühzeitigen Atemunterstützung mit CPAP verglichen.

Die Studien wurden in Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen durchgeführt: Argentinien, Australien, Brasilien, Kanada, Chile, Italien, Neuseeland, Paraguay, Peru, Uruguay und die USA. Die Babys waren sehr oder extrem frühgeboren oder hatten ein sehr niedriges Geburtsgewicht (unter 1500 Gramm). In keine der Studien wurden späte Frühgeborene oder Babys mit geringem Geburtsgewicht auf.

Hauptergebnisse

Verglichen mit einer unterstützenden Versorgung bewirkt eine Atemunterstützung mit CPAP:

- lediglich einen geringen bis keinen Unterschied im Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie bis zu 28 Tage nach der Geburt;
- möglicherweise eine geringere Zahl von Babys, die an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden müssen; und
- wahrscheinlich lediglich einen geringen bis keinen Unterschied in der zusammengefassten Zahl von Todesfällen und bronchopulmonalen Dysplasien.

Verglichen mit der Beatmung mit einem Beatmungsgerät bewirkt eine Atemunterstützung mit CPAP:

- wahrscheinlich eine Verringerung des Auftretens einer bronchopulmonalen Dysplasie bis zu 36 Wochen nach der Geburt;
- eine Verringerung der Notwendigkeit, Babys, an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden zu müssen, um fast die Hälfte; und
eine Verringerung der zusammengefassten Zahl von Todesfällen und bronchopulmonalen Dysplasien.

Aufgrund unzureichender Evidenz ist unklar, ob eine präventive Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zu einer sehr frühzeitigen Atemunterstützung mit CPAP einen Unterschied im Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie bis zu 28 Tagen nach der Geburt, eine Verringerung oder Steigerung der Zahl der Todesfälle bis zu 28 Tagen nach der Geburt oder eine Verringerung der Notwendigkeit, Babys an ein Beatmungsgerät anzuschließen, bewirkt.

Was sind die Einschränkungen der Evidenz?

Zur Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zu einer unterstützenden Versorgung ist nur wenig Evidenz verfügbar. Eine Atemunterstützung mit CPAP verringert im Vergleich zur Beatmung mit Beatmungsgeräten wahrscheinlich das Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie und die zusammengefasste Zahl von Todesfällen und bronchopulmonalen Dysplasien. Wir sind sehr unsicher, was die Wirkung einer präventiven Atemunterstützung mit CPAP im Vergleich zu einer sehr frühzeitigen Atemunterstützung mit CPAP betrifft, da es nur eine kleine Studie gab, die nicht die von uns benötigten Einzelheiten enthielt.

Wie aktuell ist die Evidenz?

Dieser Review ist eine Aktualisierung unseres früheren Reviews. Die Evidenz ist auf dem Stand vom 6. November 2020.

Anmerkungen zur Übersetzung: 

N.-E. Denninger und A. Egger-Rainer, freigegeben durch Cochrane Deutschland

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